Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen: Was Eltern tun können

Ein bisschen Babyspeck ist bei vielen Kindern ganz normal – spätestens beim nächsten Wachstumsschub gehen die zusätzlichen Kilos in den meisten Fällen verloren. Immer öfter leiden selbst Grundschüler jedoch dauerhaft unter Übergewicht. Nur: Ab wann ist ein Kind zu dick? Und wie helfen Sie Ihrem Nachwuchs, gesund zu bleiben und ein gutes Körpergefühl zu entwickeln?
Ursachen von Übergewicht bei Kindern
Unsere Gesellschaft wird immer schwerer – und das fängt schon bei den Kleinsten an. Laut einer Erhebung des Robert Koch-Instituts ist bereits jedes sechste Kind in Deutschland zu dick. Die Gründe dafür sind die gleichen wie bei Erwachsenen: Der Körper bekommt mehr Energie, als er abbaut. Das passiert beispielsweise, wenn Ihr Kind zu große Portionen zu sich nimmt oder zu oft Lebensmittel mit vielen Kalorien und Zucker isst. Bewegt es sich nicht genug, dann setzt es die überschüssige Energie als Fett an.
Wie wichtig Bewegung für die Gesundheit ist, zeigen auch die Daten aus unserem Kinder- und Jugendreport 2021: Durch die Corona-Pandemie stieg 2020 die Anzahl der neuen Fälle von Adipositas bei Grundschülerinnen und Grundschülern. In der Gruppe der 5- bis 9-Jährigen gab es ein Plus von 16 Prozent.
Weitere Ursachen für Übergewicht bei Kindern sind zum Beispiel:
- Genetische Voraussetzungen: Manchmal lassen sich die Extra-Kilos nicht mit dem Lebensstil Ihres Kindes erklären. Studien zeigen, dass Übergewicht vererbbar ist. Laut dem Bundesministerium für Bildung und Forschung haben Kinder mit übergewichtigen Eltern ein deutlich höheres Risiko, ebenfalls zu schwer zu sein – bis zu 80 Prozent. Dafür sind einerseits bestimmte Gene verantwortlich und andererseits der oft ungesunde Lebensstil der Eltern. Auch, wenn die Mutter in der Schwangerschaft viel zunimmt oder das Geburtsgewicht ungewöhnlich hoch ist, steigert dies das Risiko für späteres Übergewicht.
- Familiärer Hintergrund: Neben den Genen spielt auch die sozioökonomische Herkunft eine Rolle: Die Häufigkeit von Adipositas ist bei Kindern und Jugendlichen aus niedriger sozioökonomischer Lage um 40 Prozent höher als bei jenen aus hoher sozioökonomischer Lage. Das zeigt der Kinder- und Jugendreport 2024 der DAK-Gesundheit.
- Essstörungen beginnen meist im Jugendalter: Binge Eating ist die hierzulande am weitesten verbreitete Essstörung und führt meist zu Adipositas.
- Schlafstörungen und Stress: Epidemiologische Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen chronischem Schlafmangel und Adipositas.
- Medikamente und Erkrankungen: Bestimmte Medikamente können zu einer Gewichtszunahme führen, zum Beispiel Cortison oder Antidepressiva; ebenso Erkrankungen der Schilddrüse oder der Hirnanhangdrüse.
- Mehrere Studien haben gezeigt, dass Stillen das Risiko für eine Adipositas im späteren Leben senkt. Dabei wirkt sich bereits jedes Stillen positiv aus. Kinder, die nicht gestillt werden, nehmen häufig mehr Energie und Protein zu sich. Zudem wird die Insulinausschüttung stärker angeregt als bei gestillten Kindern, was die Fettspeicherung anregt.
Ab wann ist ein Kind übergewichtig oder adipös?
Im einen Moment sieht es aus, als hätte Ihr Kind ein paar Kilo zu viel – im nächsten Moment schießt es in die Höhe und das Gewicht verteilt sich. Oft ist es für Eltern schwer zu beurteilen, ob ihr Kind in einem gesunden Bereich liegt. Einen ersten Anhaltspunkt gibt der Body-Mass-Index (BMI) für Kinder.
Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche
Entwickelt sich mein Kind gesund und altersgerecht?
Mit BMI-Tabellen für Erwachsene sollten Sie das Ergebnis jedoch nicht vergleichen – schließlich entwickeln Kinder sich permanent. Um Adipositas bei Kindern und Jugendlichen zu erkennen, arbeiten Kinderärztinnen und Kinderärzte bei den U-Untersuchungen mit BMI-Referenz-Kurven. Gut zu wissen: Die DAK-Gesundheit übernimmt die Kosten dafür auch für die zusätzlichen Vorsorgeuntersuchungen U10 und U11. Zum Vergleich der Kurven gibt es Tabellen mit Referenzwerten – sie zeigen, wie sich andere Gleichaltrige entwickeln und ob Ihr Kind im Vergleich etwas schwerer oder größer ist.
Der Durchschnittswert ist die 50er-Perzentile. Doch auch vieles was darunter oder darüber liegt, kann ganz normal sein. Vorsicht ist nur geboten, wenn Ihr Kind mit seinem Gewicht dauerhaft im äußeren Randbereich liegt: Als übergewichtig gilt Ihr Kind, wenn es sich oberhalb des 90. Perzentils einordnet. Von adipösen Kindern, also solchen mit starkem Übergewicht, sprechen Ärztinnen und Ärzte ab dem 97. Perzentil.
Folgen von Übergewicht bei Kindern
Wiegt Ihr Kind zu viel, ist es im Alltag oft eingeschränkt. Beim Fußball läuft es etwa den anderen hinterher oder kommt selbst beim Spielen schnell aus der Puste. Dazu kommt, dass es auch psychisch unter den Kilos leidet – etwa, wenn andere Kinder sich lustig machen. Das traurige Gefühl im Bauch führt oft dazu, dass Ihr Kind sich mit Essen tröstet: ein echter Teufelskreis.
Stillen fördert eine gesunde Gewichtsentwicklung durch bessere Selbstregulation der Nahrungsaufnahme und hormonelle Schutzfaktoren in der Muttermilch
Fettleibigkeit vorbeugen: Was Eltern tun können
Auch in Sachen Bewegung sind Sie das Vorbild. Werden Sie am Wochenende gemeinsam aktiv, zum Beispiel bei einem Ausflug ins Schwimmbad oder einer kleinen Wanderung zum Minigolfplatz. Oder nehmen Sie selbst das Fahrrad, um zur Arbeit zu kommen – das kann auch Ihr Kind motivieren. Ebenso wichtig: Legen Sie feste Smartphone- und Fernsehzeiten fest. Grundschülerinnen und Grundschüler etwa sollten laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) höchstens 30 bis 45 Minuten pro Tag mit Tablet und Co. verbringen.
Wenn Sie denken, Ihr Kind könnte übergewichtig sein, lassen Sie sich von Ihrem behandelnden Kinderarzt oder Ihrer Kinderärztin beraten. Möglicherweise sind Ihre Sorgen unbegründet und beim nächsten Wachstumsschub wieder weg. Geben Sie Ihrem Kind niemals das Gefühl, dass es zu dick sein könnte und setzen Sie Ihr Kind nicht ohne ärztliche Begleitung auf Diät. Beides hätte verheerende Folgen für die weitere Entwicklung Ihres Kindes.
Die Prävention kann sogar schon bei den Säuglingen beginnen, wenn Mütter ihre Babys stillen. Hebamme Swantje Outzen: „Stillen wirkt nachweislich präventiv gegenüber kindlicher Adipositas. Eine große WHO-Metaanalyse (2013) zeigt, dass gestillte Kinder ein um ca. 22 Prozent geringeres Risiko für Übergewicht im Kindesalter haben. Auch die Promotion of Breastfeeding Intervention Trial (PROBIT) und Daten aus der KiGGS-Studie bestätigen: Stillen fördert eine gesunde Gewichtsentwicklung durch bessere Selbstregulation der Nahrungsaufnahme und hormonelle Schutzfaktoren in der Muttermilch.“
6 Tipps für ein gesundes Familienleben
- Machen Sie aus einem Spaziergang eine Schatzsuche und verstecken Sie kleine Belohnungen wie schöne Stifte. Eine gute Möglichkeit ist auch Geocaching, bei dem Sie gemeinsam auf Entdeckungsreise gehen.
- Ein bisschen tricksen ist erlaubt: Parken Sie das Auto beim nächsten Einkauf zum Beispiel einfach ein paar Meter weiter vom Supermarkt weg.
- Finden Sie heraus, was Ihrem Kind wirklich Spaß macht: Liebt es Tiere? Dann unternehmen Sie Spaziergänge mit einem Hund aus dem Tierheim oder der Nachbarschaft. Ihr Kind ist ein echter Abenteurer? Im Kletterwald ist es gut aufgehoben.
- Zeit stoppen: Wie schnell kommt Ihr Kind von einem Ende des Gartens zum anderen? Viele Kinder mögen die kleine Herausforderung und haben Spaß daran, ihre Bestzeiten zu überbieten.
- Integrieren Sie Ihr Kind beim Einkauf, zum Beispiel indem es sich ein Gemüse aussuchen darf, aus dem Sie dann ein Gericht zaubern.
- Gerade unterwegs greifen viele Eltern zu schnellen, ungesunden Snacks. Es gibt auch einfache, gute Alternativen, beispielsweise Müslikugeln aus Haferflocken, Nüssen und Honig.
DAK Fachbereich