Ständige Erreichbarkeit: Warum sie uns stresst – und wie du damit umgehst

Ob WhatsApp, E-Mails oder Slack-Nachrichten: Die digitale Welt macht es leicht, jederzeit und überall erreichbar zu sein. Was im Jugendalter mit Social Media vielleicht noch lustig sein kann, wird im Berufsleben schnell zur Belastung – denn viele Erwachsene stehen auch außerhalb ihrer regulären Arbeitszeiten ständig auf Abruf bereit. Die Grenzen zwischen Job und Freizeit verschwimmen zunehmend. Doch was macht das mit uns? Und wie können wir lernen, gesunde Grenzen zu setzen? Hol dir hier bei uns wichtige Tipps für deine Gesundheit.
Ständige Erreichbarkeit im Job: Wenn die Arbeit nie aufhört
Was bedeutet es eigentlich, ständig erreichbar zu sein? Der Begriff beschreibt, dass du beruflich jederzeit ansprechbar bist – egal, ob abends auf dem Sofa, am Wochenende oder sogar im Urlaub. Dank Smartphone, Laptop und Co. ist es gar kein Problem, schnell auf eine Mail zu antworten oder sich kurzfristig in ein Meeting einzuwählen. Die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen dabei zunehmend.
In unserer digitalisierten Welt wird diese permanente Verfügbarkeit oft als selbstverständlich angesehen – sowohl von Unternehmen als auch von uns selbst. Was früher ein klar abgegrenzter Arbeitstag war, ist heute oft ein nicht enden wollender Kommunikationsfluss. Laut Studien empfinden viele Berufstätige diese Entwicklung als Belastung – selbst dann, wenn objektiv gar keine Reaktion auf Nachrichten oder Anfragen erwartet wird. Allein die Möglichkeit, jederzeit erreichbar sein zu können, kann innerlich unter Druck setzen.
Du kennst das vielleicht: Die E-Mail um 21 Uhr, „nur kurz“ beantworten, ein Anruf im Urlaub, mit der Bitte, „mal schnell etwas zu klären“ oder Slack-Nachrichten am Wochenende, die deine Aufmerksamkeit fordern. Das Problem: Je häufiger wir diesen Anfragen nachgeben, desto normaler wird dieses Verhalten – für dich und für dein Umfeld.
Vorteile und Risiken
Ja, es gibt auch gewisse Vorteile. Erreichbar zu sein, muss nicht per se negativ sein – allerdings in gesunden Maßen! Es ermöglicht eine neue Form der Flexibilität: Du kannst ortsunabhängig arbeiten, schneller reagieren und deinen Arbeitstag oft selbst und flexibel gestalten. Gerade in agilen Teams oder bei internationaler Zusammenarbeit kann das ein echter Pluspunkt sein.
Aber: Der Preis kann hoch sein. Wenn du ständig erreichbar bist, gönnst du dir womöglich keine richtigen Pausen mehr. Deine Gedanken kreisen selbst in der Freizeit noch um die Arbeit, die Mittagspause wird übersprungen. Das Gefühl der ständigen Erreichbarkeit erhöht das Stresslevel deutlich – auch dann, wenn das Smartphone gar nicht klingelt.
Ständige Erreichbarkeit im Job kann so zum echten Gesundheitsrisiko werden. Und das oft schleichend. Deshalb ist es wichtig, sich der eigenen Grenzen bewusst zu werden. Und vor allem: sich zu trauen, diese auch zu setzen.
Welche Folgen kann ständige Erreichbarkeit haben?
Wenn du ständig erreichbar bist, kommen sowohl Körper als auch Geist selten wirklich zur Ruhe. Selbst wenn du gerade keine Nachricht bekommst, kann schon das Warten darauf dein Stresslevel erhöhen. Die ständige Bereitschaft versetzt deinen Körper in einen dauerhaften Alarmzustand – vergleichbar mit einem „Stand-by-Modus“, der nie abgeschaltet wird. Das fühlt sich vielleicht anfangs noch machbar an, aber auf Dauer hat es spürbare Folgen.
Oft ist es gar nicht erst die große Krise. Mikro-Unterbrechungen wie eine E-Mail hier, eine WhatsApp dort, eine Benachrichtigung auf Teams zwingen dich jedes Mal, deine Aufmerksamkeit neu zu fokussieren. Das raubt Energie – und verhindert tiefe Konzentration oder echte Erholung.
DAK-Psychologin Franziska Kath betont:
Konzentrationsprobleme, eine verminderte Schlafqualität und Erschöpfungszustände kommen oft schleichend. Mitunter werden diese Symptome auf die leichte Schulter genommen. Langfristig wirken sie sich aber erheblich auf die mentale und körperliche Gesundheit aus. Und das kann dann auch dazu führen, dass man länger arbeitsunfähig ist. Aber auch schon über kurze Zeitspannen gilt: Wer nicht abschaltet und sich bewusste Erholung gönnt, wird auch irgendwann während der Arbeitszeit weniger produktiv.
Die Konsequenzen sind nicht nur individuell spürbar, sondern betreffen auch dein Umfeld: Wer ständig „mit einem Ohr“ bei der Arbeit ist, hat weniger Zeit und Energie für Partnerschaft, Familie oder Freundschaften. Gespräche bleiben oberflächlich, gemeinsame Momente werden von Blicken aufs Handy unterbrochen. Die digitale Dauerpräsenz kann so auch soziale Beziehungen belasten – ohne dass du es sofort merkst.
Digitale Balance finden: Tipps gegen Dauerstress
Es ist völlig normal, dass du in einem digital geprägten Job erreichbar bist – die Frage ist nur: wie oft, wie lange und wie bewusst? Du kannst aktiv gegensteuern und dir Freiräume schaffen. Wir geben dir ein paar konkrete Ansätze mit auf den Weg, mit denen du eine gesunde Balance findest:
- Push-Benachrichtigungen ausschalten: Du musst nicht jede Nachricht sofort sehen. Schalte die Benachrichtigungen für E-Mail, Teams oder Social Media gezielt aus, wenn du den Laptop zuklappst.
- „Nicht stören“-Modus nutzen: Stell dein Handy für bestimmte Zeiten stumm – zum Beispiel abends oder am Wochenende.
- Feste Online-Zeiten definieren: Bestimme selbst, wann du erreichbar bist – und teile das deinem Team mit.
- Bildschirmfreie Zeiten und Räume etablieren: Kein Handy am Esstisch, keine E-Mails nach 20 Uhr – solche Regeln schaffen bewusste Offline-Inseln. Die wiederum schaffen bewusste Zeit für soziale Interaktionen.
- Kleine Rituale zum Abschalten: Ein Spaziergang nach Feierabend, ein Buch statt Social Media oder ein bewusster Tagesabschluss ohne Bildschirm können wahre Wunder bewirken.
- Digital Detox durchführen: Dein Gehirn braucht Phasen ohne Reizüberflutung. Ein Verzicht bedeutet nicht, das Handy komplett zu verbannen – sondern dass du bewusste Pausen einbaust.
In vier Schritten zu mehr Offline-Zeit
- Beobachten: Wann bist du erreichbar – und warum? Führe ein kleines Tagebuch.
- Reflektieren: Welche Erwartungen stehen hinter deiner Erreichbarkeit? Wer erwartet was – und ist das wirklich so, oder ist das nur in deinem Kopf?
- Reduzieren: Streiche bewusst Erreichbarkeitszeiten. Mit 30 Minuten täglich kannst du zum Einstieg beginnen.
- Routine etablieren: Baue kleine Offline-Momente in deinen Alltag ein. Sie werden schnell zur gesunden Gewohnheit.
Realitätscheck: Muss ich wirklich immer erreichbar sein?
Oft nehmen wir eine Erwartungshaltung wahr, die so tatsächlich gar nicht existiert. Frag dich: Geht mein Arbeitgeber wirklich davon aus, dass ich um 22 Uhr Mails lese? Oder mache ich mir selbst Druck? Gerade im Homeoffice oder bei flexiblen Arbeitszeitmodellen verwischen diese Grenzen leicht. Hier hilft ein klarer Blick – und eine offene Kommunikation.
Kleine Tools haben oft eine große Wirkung:
- Abwesenheitsnotizen in Outlook und Teams aktivieren
- Eine freundliche Voicemail-Ansage, die auf deine Erreichbarkeit hinweist
- Kalender-Sperrzeiten eintragen: So wird deutlich, wann du Feierabend hast und nicht mehr erreichbar bist. Das sollte Terminanfragen schon einmal reduzieren.
Ständige Erreichbarkeit – was sagt das Arbeitsrecht?
Wie viel Erreichbarkeit ist eigentlich „normal“ – und was darfst du selbst entscheiden? Auch wenn es keine allgemeingültige gesetzliche Regelung zur ständigen Erreichbarkeit gibt: Niemand muss rund um die Uhr verfügbar sein.
- Urlaub heißt abschalten dürfen
Ganz gleich, ob du am Meer liegst oder zu Hause bleibst: Urlaub ist dafür da, um Kraft zu tanken und Abstand zur Arbeit zu gewinnen. In dieser Zeit solltest du möglichst keine beruflichen E-Mails lesen, keine Anrufe entgegennehmen und auch keine Aufgaben „nebenbei“ erledigen. Nur so kannst du dich wirklich erholen – und das ist im Interesse aller. - Krank ist krank – auch in Sachen Erreichbarkeit
Wenn du krankgeschrieben bist, geht es darum, wieder gesund zu werden. Während dieser Zeit bist du nicht verpflichtet, erreichbar zu sein – weder für Rückfragen noch für Aufgaben. Gesundheit geht vor, und Erholung funktioniert am besten ohne digitale Störungen. - Offene Kommunikation: Erwartungen klären
Ein wichtiger Schritt ist das Gespräch mit deiner Führungskraft oder deinem Team. Wer offen kommuniziert, wann er oder sie erreichbar ist – und wann bewusst nicht –, schafft Transparenz und Verständnis. Vielleicht gibt es sogar bereits Regeln im Team, die dir helfen, einen gesunden Rahmen für deine Erreichbarkeit zu finden. - Tipp: Bereitschaft und Überstunden im Arbeitsvertrag klären
Es lohnt sich, einen Blick in deinen Arbeitsvertrag zu werfen – oder diesen Punkt bei neuen Verträgen offen anzusprechen. Gerade wenn du in einem Job arbeitest, in dem Bereitschaftsdienst oder flexible Arbeitszeiten erwartet werden, ist eine klare Regelung hilfreich. Auch das Thema Überstunden sollte transparent geregelt sein, damit deine Freizeit nicht zur Grauzone wird.
Franziska Kath
Diplom-Psychologin bei der DAK-Gesundheit
Quellenangaben