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Abnehmen in den Wechseljahren

Viele Frauen ab 40 kämpfen mit ihrem Gewicht. Das steigt und steigt, obwohl sie an ihrem Lebenswandel nichts geändert haben. Schuld daran sind mal wieder die Hormone: Sinkt der Östrogenspiegel zu Beginn der Wechseljahre, steigt der Appetit. Liegt dagegen im Verhältnis ein hoher Testosteronspiegel vor, sammelt sich Fett in der Körpermitte an – ungesundes viszerales Fett entsteht. Und jetzt die gute Nachricht: Abnehmen – oder auch Gewicht halten – in den Wechseljahren ist trotzdem möglich! Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Alexa Iwan und der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ingo Froböse erklären in ihrem Buch „Neustart Wechseljahre“, wie Sie „zur Form Ihres Lebens finden“. Im Gespräch erklären die beiden, was das richtige Sportprogramm ist, um überschüssiges Gewicht zu verlieren und wie wichtig Proteine wirklich sind?

Es trifft fast alle Frauen: In den Wechseljahren nimmt man plötzlich zu, obwohl man genauso viel isst und Sport macht wie vorher. Warum rechnen viele Frauen nicht damit?

Iwan: „Es fehlt in unserer Gesellschaft die Beschäftigung mit und auch die Aufklärung über die Wechseljahre. Der größte Fehler, den viele Frauen unwissentlich machen, ist, dass sie nicht wissen, was in den Wechseljahren passiert.“

Die Muskeln schwinden, der Grundumsatz sinkt und durch die hormonellen Veränderungen wird Fett im Körper umverteilt.

Iwan: „Genau. So ab dem 30. Lebensjahr baut der Körper Muskelmasse ab – das sind so ein bis zwei Prozent pro Jahr. Wenn wir das hochrechnen, bis die Frau 50 ist, dann kommt da eine ganze Menge zusammen. Je mehr Muskeln wir haben, desto höher ist der Grundumsatz – das heißt, der sinkt in dieser Zeit. Und dann ist der Energiebedarf zusätzlich nochmal niedriger, wenn der Zyklus immer öfter ausbleibt. Da müssen Frauen aktiv gegen angehen.“

Froböse: „Wenn mein Gewicht immer weiter in die Höhe schnellt und ich nichts dagegen tun kann – das ist ein klares Signal, dass hormonell etwas schiefläuft. Dann ist nicht mehr genug Muskulatur vorhanden, die Fett verbrennt.“

Iwan: „Was viele Frauen nicht wissen: Die Wechseljahre fangen viel früher an, als man denkt. Die meisten glauben, das betrifft einen so ab 45. Aber eigentlich passiert schon ab Ende 30 etwas im Körper.“

Wie können Frauen in den Wechseljahren ihre Gewichtszunahme stoppen?

Iwan: „Viele Frauen gehen ja gerne joggen oder machen Ausdauersportarten. Aber sie machen nicht so gerne Krafttraining, also Muskelaufbau.“

Froböse: „Ab 30 sollte man mit einem Herz-Kreislauf-Training beginnen und ab 40 kommt das Muskeltraining dazu. Nur Muskulatur, die genutzt wird, entwickelt sich. Was unbenutzt bleibt, verkümmert.“

Iwan: „Muskeltraining ist der einzige Weg, um den Grundumsatz hochzuhalten. Nur so können Frauen weiterhin genug Kalorien aufnehmen, um ihren Nährstoffbedarf zu decken.“

Wie sieht ein passendes Training aus, damit eine Frau in den Wechseljahren ihr Gewicht halten kann?

Froböse: „Einfach die Gewichte hin und her schieben, reicht nicht. Ganz wichtig ist, dass man nach zwölf, 15 Wiederholungen wirklich nicht mehr kann. Die Muskeln müssen während des Trainings brennen. Da reicht am Anfang erstmal ein Set. Dann kann man auf ein zweites erhöhen und später mehr Gewicht auflegen. Wünschenswert ist, dass zwei Bereiche trainiert werden: Das sind einmal die roten Muskelfasern, die durch das sogenannte anaerobe Training angesprochen werden. Das heißt: Radeln, Joggen, Walken, Schwimmen – das übliche Herz-Kreislauf-Training und das möglichst dreimal die Woche für 60 Minuten. Dabei sollte die Herzfrequenz leicht erhöht sein. Die Faustregel besagt: Puls von 180 minus Lebensalter, also maximal etwa 130 für eine fünfzigjährige Frau.“

Und der zweite Bereich, der trainiert werden sollte?

Froböse: „Das sind die weißen Muskelfasern, die erreiche ich durch Krafttraining. Dafür braucht man Disziplin. Das macht keine Freude, das ist klar. Und die weißen Fasern sind auch der Feind der Waage, weil Muskeln schwer sind. Aber es lohnt sich: Die Muskelmasse ist die, die Energie verbraucht und die, die hormonell aktiv ist. Das sieht man dann auch. Als Frau sollte man etwa 30 Prozent Muskelmasse besitzen. Das setzt ein Training von zweimal die Woche für 45 Minuten voraus.“

Muskeln haben aber noch mehr Vorteile als nur einen hohen Energieverbrauch.

Froböse: „Ich wünsche mir, dass die Menschen verstehen, dass die Muskulatur ein Garant für die Gesundheit ist. Eine aktive Muskulatur schüttet Myokine aus, das sind enzymähnliche Botenstoffe. Die stimulieren die inneren Organe und halten sie gesund. Und sie sind der Gegenspieler der Adipokinen, den Botenstoffen aus der Fettmasse. Die sind es, die die Hormone verändern, Entzündungen fördern und das Immunsystem entgleisen lassen.“

Kann ich einfach zu Hause loslegen oder sollte ich ins nächste Fitnessstudio gehen?

Froböse: „Wenn ich gar keine Bewegungserfahrung habe, dann sollte ich nicht mit einem YouTube-Video anfangen oder mir einen Trainingsplan von der KI erstellen lassen. Training muss personalisiert sein. Wenn man loslegt, sollte man immer gucken, dass man sich Trainingskompetenz an die Seite holt. Trainer und Trainerinnen achten auch darauf, wenn jemand irgendwo Probleme hat und aufpassen muss. Die sagen der Trainierenden dann auch: Welche Übungen soll sie machen? Wie viel Gewicht legt sie auf? Wie viele Wiederholungen sind gut? Bei den Geräten im Fitnessstudio wird sie zumindest ein bisschen geführt. Zu Hause korrigiert einen niemand, wenn man etwas falsch macht. Wichtig ist, dass sich das Training alle vier bis sechs Wochen ändert. Das können andere Übungen sein oder ein höheres Gewicht.“

Und wie schnell nehme ich dadurch ab?

Froböse: „Den Erfolg sieht man sehr schnell. Anfängerinnen fühlen sich nach etwa vier Wochen belastbarer und frischer. Sie haben auch mehr Körperspannung und das Gewebe wird straffer.“

Kommen wir zu einer Problemzone: Wie verlieren Frauen in den Wechseljahren das viszerale Fett, den sogenannten Hormon- oder Fettbauch?

Froböse: „Das geht nur mit einer systemischen Veränderung. Das ist ein mehrmonatiges Projekt. Es ist nicht verkehrt, Bauch, Becken, Po zu trainieren, aber das alleine reicht nicht. Gezielt kann man das nicht trainieren. Man kann nicht gegen Fett kämpfen – das Verhältnis von Fett und Muskeln muss stimmen. Egal, was die Waage sagt.“

Was ist, wenn ich Osteoporose habe oder zumindest ein Risiko dafür mitbringe: Muss ich dann beim Sport besonders aufpassen?

Froböse: „Training wirkt sich positiv auf die Knochenfestigkeit aus. Für den Knochenaufbau braucht der Körper Stoßbelastungen. Man sollte ihn keinesfalls schonen: Eine angemessene Belastung fördert den Stoffwechsel des Knochens. Gut sind leichte Sprünge – das Trampolin ist wunderbar – federn oder viel zu Fuß gehen. Radfahren oder Schwimmen helfen da nur bedingt. Schnellkraftsportarten wie Tennis, Volleyball oder Basketball sind wiederum keine so gute Idee.“

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Ein weiteres Problem der Wechseljahre ist, dass viele Frauen furchtbar erschöpft sind. Wie können sie trotzdem genug Sport machen?

Froböse: „Müdigkeit entsteht im Kopf und körperliche Unterforderung ist auch Stress. Heißt: Ich muss dem Körper die Vitalität zurückgeben. Dafür muss ich ihn wieder stimulieren und aktivieren.“

Iwan: „Stress ist ein Riesenthema. Das ist ein mega Krankmacher. Man muss wissen: Stress flutet den Körper mit Cortisol. Er ist jetzt in Alarmbereitschaft. Dadurch setzt er Energie frei. Das fördert auch die Lust auf Süßes. Wird diese Energie jetzt nicht verbraucht, weil man am Schreibtisch sitzt, dann wird sie zu Fett. Gegen den Stress können Sie nur präventiv arbeiten. Wir empfehlen Techniken, um das vegetative Nervensystem zu beruhigen. Da geht ganz viel über die Atmung.“

Froböse: „Natürlich sollte man nach dem Training nicht total erschöpft aufs Sofa fallen. Aber man muss körperlich aktiv werden – moderat, angenehm und vor allem regelmäßig.“

Kommen wir zum Thema Ernährung. Viele Frauen setzen auf Diäten, um abzunehmen. Dr. Iwan, was halten Sie davon?

Iwan: „Kalorien reduzieren ist genau der falsche Ansatz. Das haben Frauen so gelernt: Wenn du abnehmen willst, musst du weniger essen. Aber das funktioniert nicht. Den Kampf werden sie nicht gewinnen.“ 

Froböse: „Man muss ja bedenken: Der Körper braucht Energie, um die grundlegenden Funktionen aufrechtzuerhalten. Eine Diät ist eine Hungersnot für den Körper. Das sollte man unbedingt vermeiden: Das führt dazu, dass sich die Symptome der Wechseljahre verschärfen.“

Iwan: „Wichtig ist, zu verstehen: Im Körper verschiebt sich etwas – Muskeln werden zu Fett. Und das gilt es zu ändern.“

Gut ernährt durch die Wechseljahre

Eine gute Ernährung ist immer wichtig – doch gerade in den Wechseljahren sollten Sie ein besonderes Augenmerk darauf legen. Wer jetzt darauf achtet, was auf seinem Teller landet, der hält nicht nur sein Gewicht in Gleichgewicht. Ausgewogene Mahlzeiten können auch typische Wechseljahrsbeschwerden lindern. Die Ökotrophologin Susanne Liedtke erklärt, worauf es ankommt.

Wie ernähren sich Frauen in den Wechseljahren so, dass sie nicht zunehmen?

Iwan: „Jetzt sollten Frauen mehr Eiweiß in ihre Ernährung einbauen. Wenn der Körper älter wird, ist er nicht mehr so gut in der Lage, Proteine zu verdauen. Das muss man dann ein wenig ausgleichen. Die DGE empfiehlt 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Wenn man älter wird, sind 1,2 oder 1,4 Gramm besser. Wohlgemerkt: Gerechnet auf das Normalgewicht. Wir wollen nur fettfreies Gewebe mit Energie versorgen. Ballaststoffe sind das nächste Thema. Sie binden Östrogen im Darm und entsorgen es so. Sie haben also eine ausgleichende Wirkung bei einer Östrogendominanz.“

Und die „bösen Kohlenhydrate“?

Iwan: „Mit der Zeit sinkt der Östrogenspiegel und damit geht eine verschlechterte Insulinsensitivität einher. Das heißt, die Kohlenhydratverwertung funktioniert nicht mehr so gut. Das kann zu Diabetes Typ 2 führen. Daher sage ich den Frauen immer: Seid vorsichtig mit den Kohlenhydraten! Ihr müsst mehr auf komplexe Kohlenhydrate wie Vollkorn setzen.“

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Abnehmen in den Wechseljahren ohne Diät

Ob Low Carb oder Kohlsuppenfasten: Diäten reduzieren meist nur kurzfristig das Gewicht und sorgen für einen Jo-Jo-Effekt, sobald Sie wieder normal essen. Auch Kalorien zu reduzieren ist auf lange Sicht nicht wirkungsvoll. Ernährungsexpertin Dr. Alexa Iwan empfiehlt stattdessen ein Vier-Schritte-Modell:
  1. Essen Sie mehr Proteine und suchen Sie sich dafür gute Quellen. Das können zum Beispiel Quark, Käse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Fisch oder mageres Fleisch sein.
  2. Nun kommen idealerweise 150 Gramm Obst oder Gemüse dazu – je nachdem, ob Sie süß oder herzhaft essen möchten.
  3. Als Nächstes folgen die Kohlenhydrate – die Menge hängt davon ab, wie viel Sport Sie machen.
  4. Das Highlight zum Schluss bilden Kerne, Nüsse oder Samen. Die bringen noch mal etwas Eiweiß und Ballaststoffe in die Mahlzeit.

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Welche Ernährung ist gut, um das Sportprogramm optimal zu ergänzen?

Iwan: „Was Sie nicht machen sollten: nüchtern Sport machen. Sie müssen beim Sport maximal leistungsfähig sein. Das schaffen Sie nur, wenn Sie nicht völlig ausgehungert sind. Vor dem Sport sollte man also Kohlenhydrate essen. Haferflocken mit Banane zum Beispiel. Entscheidend ist auch eine kontinuierliche Versorgung mit Proteinen über den Tag. Besonders wichtig ist, dass man schon beim Frühstück damit anfängt.“

Proteinriegel oder -shakes sind bei Sportlern und Sportlerinnen beliebt. Bringen die wirklich was?

Iwan: „Protein-Supplements schaden nicht unbedingt, aber sie sind auch nicht notwendig. Normalerweise deckt man seinen Eiweißbedarf schon gut über eine ausgewogene Ernährung ab. Aber es gibt natürlich auch Tage, die man schlecht planen kann. Da können Sie ruhig ein bisschen nachhelfen. Was anderes ist es bei Veganerinnen: Sie müssen schon sehr viel essen, um genug Eiweiß aufzunehmen. Da ist ein Ergänzungsmittel empfehlenswert. Man muss nicht sofort nach dem Sport Proteine aufnehmen. Lieber zu Hause in Ruhe einen Quark mit Erdbeeren oder Blaubeeren oder etwas Ähnliches essen. Wer aber gerne einen Proteinriegel zu sich nehmen will, der soll es ruhig machen. Dann sollte man genau auf die Zutatenliste gucken. Es gibt zum Beispiel Produkte auf Nussbasis.“

Geballte Wechseljahres-Kompetenz: Ernährungswissenschaftlerin Dr. Alexa Iwan und Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ingo Froböse erklären Frauen in ihrem Buch „Neustart Wechseljahre“, was sie in der Lebensmitte tun können, um in Form zu bleiben oder in Form zu kommen.


Autor(in)

Ippen Digital Media

Qualitätssicherung

Sakhi A. Noori

Mediziner bei der DAK-Gesundheit

Quellenangaben

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