Tics bei Kindern
Unaufhörliches Augenblinzeln, abrupte Lautäußerungen oder unwillkürliches Ziehen von Grimassen: Etwa 15 Prozent der Kinder im Grundschulalter weisen den einen oder anderen Tic auf, den Außenstehende mitunter als irritierend empfinden. Für die Betroffenen selbst sind diese zumeist milden Verhaltensauffälligkeiten allerdings selten stark beeinträchtigend. Was Tics genau sind, was sie auslöst und wie du als Elternteil mit ihnen umgehen kannst, erfährst du hier..
Was sind Tics?
„Warum zuckt Luise die ganze Zeit mit den Augen?“ „Will mich Paul mit seinen Kraftausdrücken provozieren?“ „Warum stampft Anton unaufhörlich auf den Boden?“ Wer selbst keine Tics an den Tag legt, kann diese und ähnliche Verhaltensauffälligkeiten wahrscheinlich nur schwer nachvollziehen. Zumal sie sich in der Regel auf keine vorangegangene Begebenheit beziehen, also augenscheinlich keinen Auslöser haben. Tics sind plötzlich einsetzende, kurze, wiederholte Bewegungen oder Lautäußerungen, die keinem erkennbaren Zweck dienen. Sie können einzeln, aber auch in Serien auftreten und beginnen zumeist im Grundschulalter. Dabei unterscheidet man zwischen sogenannten motorischen und vokalen Tics, die jeweils in einfacher oder komplexer Form auftreten können.
Welche Tics gibt es?
Motorische Tics
Bei Luise und Anton aus den Beispielen oben handelt es sich um motorische Tics. Das sind unwillkürliche, abrupte Bewegungen, die in ihrer Art, Intensität und Häufigkeit variieren können. Sie treten vorwiegend im Gesichts- und Kopfbereich auf. Die häufigsten Tics sind hier Augenzwinkern, Blinzeln, Grimassen schneiden, Kopfschütteln oder Nicken. Aber auch die Rumpfmuskulatur oder die Extremitäten können betroffen sein. Sobald mehrere Muskelgruppen beteiligt sind oder ganze Bewegungen ausgeführt werden, spricht man von komplexen motorischen Tics. Betroffene Kinder hüpfen beispielsweise spontan herum, springen, stampfen, machen Kniebeugen, führen Liegestütze aus oder haben den Drang, sich flach hinzulegen.
Vokale Tics
Pauls Kraftausdrücke hingegen fallen in die Kategorie der vokalen Tics. Dabei handelt es sich um das unwillkürliche Äußern von Lauten und Geräuschen. Diese können von Räuspern, Schniefen und Hüsteln über Bellen, Schreien, Pfeifen bis hin zu auffälligen Atemgeräuschen reichen. Zu den komplexen vokalen Tics gehören die sogenannte Koprolalie, bei der sozial unangebrachte obszöne Wörter geäußert werden, und die Echolalie, bei der Wörter oder Wortteile wiederholt werden.
Tourette-Syndrom
Das Tourette-Syndrom bezeichnet eine besonders ausgeprägte Tic-Störung, bei der komplexe vokale und multiple motorische Tics kombiniert auftreten. Auch mehrfach täglich auftretende Tics, die länger als ein Jahr andauern, fallen unter diesen Begriff.
Besonders sicht- und hörbare Tic-Störungen können im Umfeld der Kinder aus offenkundigen Gründen auf Erstaunen und Unverständnis stoßen. Familienmitglieder, Lehrkörper oder Freunde können oft nicht nachvollziehen, dass die betreffenden Handlungsweisen oder Lautäußerungen tatsächlich ungewollt und krankheitsbedingt auftreten. Doch was genau sind eigentlich die Ursachen von Tics?
Was sind die Ursachen für Tics?
Was einen Tic letztlich auslöst, hängt also von individuellen Faktoren ab. Worin man sich allerdings einig ist: Kinder ab etwa elf Jahren berichten von einer Art Vorgefühl, das das Ausführen des Tics ankündigt. Dieses Vorgefühl wird ähnlich beschrieben wie das Kribbeln in der Nase, das dem Niesen vorausgeht, und verschwindet erst, wenn der Tic – beispielsweise das Blinzeln oder Räuspern – ein- bis zweimal vollzogen wurde. In diesem Sinne sei erwähnt, dass etwa dem Kauen von Fingernägeln kein solches Vorgefühl vorausgeht, weshalb es nicht als Tic, sondern als Angewohnheit oder kleine Marotte gilt. Hier muss also auch noch einmal unterschieden werden.
Was können Eltern bei Tics beachten?
Was kannst du als Elternteil tun, wenn dein Kind Tic-Störungen zeigt? Auch wenn du den Tic selbst als irritierend empfindest oder dir Sorgen machst, wie das Umfeld deines Kindes auf die unverhofften Bewegungen oder Geräusche reagiert: Viel kannst und solltest du erst einmal nicht tun. So weisen Expertinnen und Experten darauf hin, dass ständige Ermahnungen nicht helfen, um Tics loszuwerden. Versuche vielmehr, mit den Tics natürlich um- und den Alltag mit deinem Kind ganz normal anzugehen.
Was du allerdings aktiv tun kannst: Wenn du merkst, dass sich bei deinem Schützling der Tic anbahnt oder er das oben beschriebene „Vorgefühl“ erwähnt, kannst du versuchen, die Situation mit Ablenkung, Berührungen, Spiel oder Entspannung zu durchbrechen. Wichtig ist dabei, Fingerspitzengefühl zu beweisen und deinem Kind nicht das Gefühl zu geben, es mache etwas falsch. Versuche hingegen, sein Selbstwertgefühl von Anfang an zu stärken, mögliche Stressfaktoren einzudämmen und das Umfeld deines Kindes – also Lehrerinnen und Lehrer, die Schulbegleitung oder Freunde und Freundinnen – gezielt über die Tics aufzuklären. Denn nur auf diese Weise kannst du euer Umfeld für das Krankheitsbild sensibilisieren, Verständnis erzeugen und möglichen Folgeerscheinungen wie etwa dem Herausbilden einer sozialen Phobie entgegenwirken.
Wichtig ist in jedem Fall, dass dein Kind lernt, mit dem Tic umzugehen und offen darüber zu sprechen. Je mehr Verständnis sein Umfeld ihm entgegenbringt, desto geringer ist die psychische Belastung – was wiederum die Wahrscheinlichkeit für das Herausbilden weiterer Tics senkt.
Tics bei Kindern: Wann sollte ich zum Arzt gehen?
In den meisten Fällen ist ein Arztbesuch nicht notwendig. Tics treten bei bis zu 15 Prozent aller Grundschulkinder in Deutschland auf. Dabei sind viele von ihnen leichter Natur und gehen von selbst wieder weg. Wenn dein Kind also in keiner ersichtlichen Weise beeinträchtigt ist, heißt es: abwarten und Tee trinken. Wenn ein Tic jedoch länger als drei Monate anhält oder einige der oben erwähnten Begleiterscheinungen wie Schmerzen oder Schlafstörungen auftreten, ist es Zeit, zum Arzt oder zur Ärztin zu gehen. Sollte die Verhaltensauffälligkeit dein Kind hingegen mehr als zwölf Monate begleiten, gilt der Tic als chronisch. Spätestens dann kann sich eine medikamentöse oder therapeutische Behandlung als hilfreich erweisen.
Fazit
Tics sollten dir als Elternteil keinen Anlass geben, dir übermäßig Sorgen zu machen. Sie sind völlig normal und entsprechend „normal“ solltest du auch mit einem Kind mit einer Tic-Störung umgehen. Es ist allerdings wichtig, das soziale Umfeld des Kindes ins Bild zu setzen, um unsensiblen Reaktionen und voreiligen Schlüssen von außen zuvorzukommen. Beobachte darüber hinaus den Verlauf der Tic-Störung und erwäge im Zweifel einen Arztbesuch. Ansonsten steht einer völlig normalen, positiven Entwicklung deines Kindes nichts im Wege!