Bariatrische Operation bei Adipositas – wann macht ein chirurgischer Eingriff Sinn?
Dr. med. Benjamin Stäbler ist Facharzt für Viszeralchirurgie im Caritas-Krankenhaus St. Josef in Regensburg. Er weiß, wer für die Behandlung infrage kommt und worauf Sie vor und nach dem Eingriff achten müssen.
Was ist eigentlich eine bariatrische OP – und welches Ziel verfolgt sie?
Welche Erkrankungen gehen denn typischerweise mit starkem Übergewicht einher?
Wenn Sie an einer Adipositas leiden, sind Sie öfter von psychologischen Problemen betroffen – das belegen auch aktuelle Studien. Eine Psychotherapie hilft, sie wieder in den Griff zu bekommen. Als DAK unterstützen wir Sie mit verschiedenen Therapieprogrammen.
Wie genau wirkt sich eine bariatrische OP hier aus – gibt es Begleiterkrankungen, die durch den Eingriff geheilt werden?
Wann macht eine bariatrische Operation grundsätzlich Sinn, für wen kommt sie infrage?
Dr. Benjamin Stäbler: „Es gibt sogenannte S3-Leitlinien in der Medizin, die für uns bindend sind. Die besagen: Eine Operation sollte dann gemacht werden, wenn der BMI über 40 kg/m² ist. Oder der BMI ist über 35 kg/m² und es liegen gleichzeitig Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes vor.“
Gibt es weitere Voraussetzungen, die Betroffene erfüllen müssen, bevor sie operiert werden können?
Erst wenn sie dieses Programm absolviert haben und nicht entscheidend Gewicht verlieren, operieren wir. Ansonsten führen wir die konservative Therapie fort. Es gibt auch noch einen Sonderfall bei Patientinnen und Patienten mit einem BMI von über 50 kg/m². Dann besteht eine sogenannte primäre Indikation. Das heißt jedoch ebenfalls nicht, dass wir sofort operieren. Sie absolvieren bei uns im Haus die Ernährungstherapie und werden erst dann operiert, wenn das Fachpersonal sagt: Die Person hat verstanden, was ein verkleinerter Magen bedeutet.“
Patientenschulung für eine gesunde Ernährung
Ernährungsberatung bei einer Erkrankung, bei der eine gesunde Ernährung besonders wichtig ist.
Bei der bariatrischen OP gibt es verschiedene Verfahren – welche kommen in Deutschland vor allem zum Einsatz?
Dr. Benjamin Stäbler: „Es gibt letztendlich zwei Methoden, die in der Breite angewendet werden: Einerseits ist da der Schlauchmagen. Und andererseits gibt es verschiedene sogenannte Bypass-Verfahren. Das Magenband ist dagegen keine Standard-Option mehr. Es wurde sehr viel um die Jahrtausendwende eingesetzt. Hier hat man aber festgestellt, dass es zu Langzeitkomplikationen führt.“
Was passiert dann genau bei einer bariatrischen Operation – bei einem Schlauchmagen oder Magenbypass?
Dr. Benjamin Stäbler: „Der Schlauchmagen ist vom Prinzip her sehr einfach zu verstehen: Dabei wird der Magen deutlich verkleinert: Das Magenvolumen wird um etwa 80 bis 90 Prozent reduziert. Wir entfernen also den Großteil des Magens. Bypass-Verfahren gibt es verschiedene. Bei diesen wird ebenfalls immer der Magen verkleinert. Was hier noch dazukommt ist, dass die Anatomie des Dünndarms verändert wird. Die Nahrungsaufnahme ist also durch den verkleinerten Magen eingeschränkt. Viel bedeutender ist aber, dass der Eingriff tiefgreifende physiologische Auswirkungen im Körper hat. Dazu gehören hormonelle Veränderungen, die sich sowohl auf den Darm als auch auf das Gehirn auswirken.“
Wie lange dauert der Heilungsprozess nach einem solchen Eingriff?
Dr. Benjamin Stäbler: „Wir machen alle diese Operationen minimalinvasiv. Das bedeutet, es gibt nur mehrere kleine Schnitte am Bauch. Einen Schnitt für die Kamera: Der Bauch wird mit einem Gas aufgebläht, damit man alles gut sieht. Danach gibt es noch weitere Schnitte für die Arbeitsinstrumente. Die Patientinnen und Patienten haben so nach einer Operation relativ wenig Schmerzen, sind schnell wieder mobil und können schon nach ein paar Tagen wieder nach Hause.“
Trotzdem geht jede OP mit Risiken einher – welche gibt es konkret bei dieser OP-Form?
Dr. Benjamin Stäbler: „Wir haben natürlich ganz allgemeine Komplikationen: Die betroffenen Personen haben ein Blutungsrisiko. Bei jeder OP gibt es auch die Gefahr einer Thrombose, was entsprechend prophylaktisch behandelt wird. Es gibt aber auch Risiken, die eingriffspezifisch sind. Bei bariatrischen Operationen entstehen Nähte – am Magen selbst oder zwischen Magen und Dünndarm oder zwischen Dünndarm und Dünndarm. Die können undicht werden. Das tritt jedoch sehr, sehr selten auf und lässt sich gut behandeln. Eventuell operieren wir dann erneut oder wir beheben bei einer Magenspiegelung die undichte Stelle.“
Gibt es auch langfristige Risiken?
Dr. Benjamin Stäbler: „Beim Schlauchmagen besteht ein gewisses Risiko dafür, dass die Patientinnen und Patienten Sodbrennen entwickeln. Das bedeutet, dass aus dem verkleinerten Magen Magensäure in die Speiseröhre hochkommt. Das ist nicht nur unangenehm: Die Magensäure in der Speiseröhre kann auch zu einer Entzündung dort führen. Beim Schlauchmagen besteht die Gefahr, dass dieser zu eng wird. Außerdem können im Magen Geschwüre entstehen. Das Risiko gibt es auch beim Magenbypass: Er kann etwas zu eng werden oder zu Verwachsungen im Bauchraum führen. Und hier gibt es noch das sogenannte Dumping-Syndrom. Durch die veränderte Anatomie des Dünndarms gelangt Nahrung schneller in den Dünndarm als üblich. Das kann Nebenwirkungen verursachen, wie zum Beispiel Schwindel oder mal eine Ohnmacht nach dem Essen. Die Patientinnen und Patienten sollten aber ernährungstherapeutisch so gut vorbereitet sein, dass das nicht auftritt.“
Was gibt es für die Patientinnen und Patienten im Nachgang an die OP zu beachten?
Dr. Benjamin Stäbler: „Die Ernährungstherapie, die schon vor der OP beginnt, muss fortgeführt werden. Gerade im ersten Jahr ist das sehr wichtig, weil sich natürlich viel umstellt im Körper. Die betroffenen Personen müssen das Essen wieder ganz neu lernen. Bei den meisten klappt das sehr gut. Aber gelegentlich gibt es auch Probleme, manche brauchen im Kostaufbau länger als andere. Dafür ist es eben wichtig, dass sie vor und nach der Operation ernährungstherapeutisch eng angebunden sind. Wir Chirurginnen und Chirurgen sind auch gefragt: Wir sehen die Behandelten im ersten Jahr viermal. Da schauen wir, ob alles passt – oder es irgendwelche Probleme gibt. Zum Beispiel, ob das Gewicht sich so verhält, wie wir es erwarten oder es vielleicht zu viel oder zu wenig ist. Und man muss die Begleiterkrankungen im Blick behalten. Das ist dann Aufgabe der Hausärztin oder des Hausarztes. Sie müssen zum Beispiel schauen, ob man die Medikation anpassen muss, wenn sich die Begleiterkrankungen bessern.“
Wie groß fällt letztendlich die Gewichtsreduktion aus?
Dr. Benjamin Stäbler: „Man weiß, dass man mit diesen OPs ganz grob 60 bis 70 Prozent des Übergewichts verlieren kann. So kommen die Betroffenen zumindest aus dem sehr hohen BMI-Bereich heraus – von der Adipositas ins Übergewicht.“
Benjamin Stäbler
Dr. med.
Dr. med. Benjamin Stäbler ist Facharzt für Viszeralchirurgie und Leiter des Adipositaszentrums im Caritas-Krankenhaus St. Josef in Regensburg.
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