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Potsdam, 6. Oktober 2022. Die Corona-Pandemie hat weiter Auswirkungen auf die Inanspruchnahme ambulanter und stationärer Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Brandenburg und auf die Erstbehandlung bei verschiedenen Krankheitsbildern. Nach einer neuen Analyse der DAK-Gesundheit für die Jahre 2018 bis 2021 gingen Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte und Arzneimittelverschreibungen in 2021 in der Mark insgesamt zurück. Die Zahlen zeigen auch, dass sich die Neuerkrankungsrate einzelner Diagnosen wie Depressionen, Essstörungen und Adipositas in bestimmten Altersgruppen unterschiedlich entwickeln. Besonders auffällig: Bei jugendlichen Mädchen wurden häufiger Depressionen oder Angststörungen festgestellt als noch vor der Pandemie. Bei ihnen verdoppelte sich auch die Verordnungen von Antidepressiva bei erstmalig ärztlich behandelten Depressionen (plus 105 Prozent). Bei gleichaltrigen Jungen zwischen 15 und 17 Jahren ging die Neuerkrankungsrate hingegen zurück. Das zeigt der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit für Brandenburg. Für die repräsentative Analyse wurden ambulante und stationäre Behandlungsdaten von rund 41.000 Kindern und Jugendlichen wissenschaftlich untersucht und mit der Situation vor der Pandemie verglichen.
DAK-Landesvertretung: Alarmsignal mit Handlungsbedarf
„Unser aktueller Report für Brandenburg ist ein Alarmsignal und offenbart einen dringenden Handlungsbedarf in vielen Facetten der Kinder- und Jugendgesundheit im Land“, so Anke Grubitz, Leiterin der Landesvertretung der DAK-Gesundheit in Brandenburg. „Wie begrüßen sehr, dass sich die Landespolitik unter anderem mit den Beschlüssen des Landtages mit einer Dringlichkeit dem Thema widmet.“
Weniger Arztbesuche, Medikamente und Krankenhausaufenthalte
Im zweiten Corona-Jahr kamen insgesamt weniger Kinder und Jugendliche in Brandenburger Arztpraxen und Krankenhäuser als vor der Pandemie. So gingen 2021 Arztbesuche um sieben Prozent und Krankenhausaufenthalte um 18 Prozent im Vergleich zu 2019 zurück. Besonders große Rückgänge in der ambulanten und stationären Versorgung gab es bei Infektionskrankheiten (minus 41 Prozent) und Atemwegserkrankungen (minus 27 Prozent). 2021 bekamen auch elf Prozent weniger Kinder- und Jugendliche Arzneimittel als in der Vor-Corona-Zeit verschrieben. So sank beispielsweise die Zahl der verordneten Antibiotika um 42 Prozent. Besonderheiten gab es bei psychischen und Verhaltensstörungen: Insgesamt gingen die Behandlungszahlen in Brandenburg um acht Prozent zurück. Betrachtet man die einzelnen Diagnosen in den verschiedenen Altersgruppen, zeigt der Report auch hier überwiegend sinkende Zahlen. Umso bemerkenswerter ist daher der Anstieg von Depressions-Neuerkrankungen in der Gruppe der 15- bis 17-jährigen Mädchen um zwölf Prozent und von Angststörungen um 14 Prozent.
Depressionen: Große Unterschiede bei Mädchen und Jungen
Mädchen und Jungen leiden unterschiedlich unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen. Das zeigt das Beispiel Depressionen. So stiegen 2021 die Neubehandlungen von Depressionen bei 15- bis 17-jährigen Mädchen um zwölf Prozent im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Mit 32 Fällen je 1.000 Versicherte (2019: 28,8) lag Brandenburg damit jedoch noch unter den Bundeszahlen (40 Fälle je 1.000 Versicherte). Bei gleichaltrigen Jungen hingegen sank die Neuerkrankungsrate um 17 Prozent auf rund zehn Fälle (2019 waren es zwölf Fälle je 1.000). Gleichzeitig bekamen die an einer Depression neu erkrankten Teenager-Mädchen deutlich häufiger Medikamente. So nahm der Anteil der 15- bis 17-jährigen Mädchen mit einer Antidepressiva-Behandlung 2021 um 105 Prozent im Vergleich zu 2019 zu. Fast jedes zwölfte 15- bis 17-jährige Mädchen, das 2021 neu an Depressionen erkrankte, bekam Medikamente verschrieben (acht Prozent). Bei Teenager-Mädchen stieg auch die Neuerkrankungsrate bei Angststörungen um 14 Prozent auf 31 Fälle je 1.000 im Jahre 2021. Bei den gleichaltrigen Jungs sind die Zahlen noch einmal zurückgegangen auf nunmehr acht Fälle. „Die Ergebnisse unseres Kinder- und Jugendreports zeigen, dass jugendliche Mädchen besonders in der Pandemie leiden“, ist sich Grubitz sicher. „Sie zeigen auch, dass Mädchen und Jungen anders mit den Belastungen umgehen, andere Kompensationsstrategien entwickeln. Aus anderen Studien wissen wir, dass es Mädchen leichter fällt, sich zu öffnen und über ihre Probleme zu sprechen. Jungs verdrängen diese eher und flüchten sich beispielsweise in Medienkonsum. Experten erwarten daher mittelfristig steigende Zahlen von psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen auch bei männlichen Teenagern.“
Psychische Erkrankungen insgesamt seltener diagnostiziert
Über die meisten der psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen hinweg zeigt der Brandenburg-Report in den verschiedenen Altersgruppen jedoch sinkende Neuerkrankungsraten. Bei den Grundschulkindern im Alter von fünf bis neun Jahren wurden im Jahr 2021 Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache am häufigsten festgestellt. Mit 43 Fällen je 1.000 Kindern sind die Neuerkrankungen aber um neun Prozent gegenüber 2019 gesunken (47 Fälle). Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend gingen gar um 32 Prozent zurück und wurden 2021 erstmalig bei rund 23 Kindern je 1.000 festgestellt. Diese Diagnose wurde bei den zehn- bis 14-jährigen Schulkindern sogar am häufigsten gestellt. Mit rund 13 Fällen je 1.000 gab es hier im Vergleich zu 2019 einen Rückgang von 29 Prozent. Ein differenziertes Bild zeigt sich in der Altersgruppe der 15- bis 17-Jährigen. Die Diagnose mit den meisten Neuerkrankungen im Jahre 2021, Anpassungsstörungen, ging zum Vergleichsjahr 2019 um 30 Prozent zurück, während Depressionen und Angststörungen zunahmen.
Adipositas-Anstieg bei Grundschulkindern
Eine andere Entwicklung zeigen die Zahlen von Adipositas-Neuerkrankungen. Geht die Anzahl erstmalig ärztlich behandelter Adipositas-Fälle über alle Geschlechter und Altersgruppen zurück, steigen die Zahlen bei den fünf- bis neunjährigen Jungen: Im Vergleich zum Vor-Pandemiezeitraum erhielten 14 Prozent mehr männliche Grundschulkinder in Brandenburg 2021 die Diagnose Adipositas. Mit rund 18 Fällen je 1.000 Kindern liegen die Zahlen nunmehr über denen der Mädchen. Bei den weiblichen Grundschulkindern gingen die neuen Fälle von Adipositas um acht Prozent auf 17 je 1.000 zurück. Ältere Kinder erkranken im Vergleich häufiger neu an Adipositas, die Fälle sind zu 2019 jedoch rückläufig. Waren es bei den 10- bis 14-jährigen Schulkindern 2019 noch knapp 30 Neuerkrankungen, sind es 2021 mit 26 rund 13 Prozent weniger. Auch bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren gehen die Zahlen neuer Adipositas-Erkrankungen um vier Prozent zurück (2021: rund 23 Fälle je 1.000).
Für den Kinder- und Jugendreport untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 41.000 Brandenburger Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in Brandenburg versichert sind. Analysiert wurden die Jahre 2018 bis 2021. Beispielsweise flossen 2021 189.000 Arztbesuche, 185.000 Arzneimittelverschreibungen und 7.000 Krankenhausaufenthalte in die Analyse ein.
Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit. Insgesamt sind bei der Krankenkasse in Brandenburg rund 250.000 Menschen versichert.