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Frankfurt am Main, 13. Oktober 2022. In der Corona-Pandemie zeigen sich weiter beträchtliche Gesundheitsfolgen für Kinder und Jugendliche in Hessen. Vor allem Mädchen sind betroffen. Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit stiegen Essstörungen wie Anorexie und Bulimie bei 15-17-Jährigen um fast 60 Prozent an. Die Verschreibung von Antidepressiva nahm um mehr als 50 Prozent zu. Das ist das Ergebnis des hessischen Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit. Für die repräsentative Analyse wurden ambulante und stationäre Behandlungsdaten von 86.000 Kindern und Jugendlichen wissenschaftlich untersucht und mit der Situation vor der Pandemie verglichen. Insgesamt gingen Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte und Arzneimittelverschreibungen im Jahr 2021 weiter zurück.
DAK-Landesvertretung: Alarmsignal mit Handlungsbedarf
„Der aktuelle Kinder- und Jugendreport führt uns vor Augen, dass es den Jugendlichen in Hessen nicht gutgeht“, sagt Britta Dalhoff, Leiterin der hessischen DAK-Landesvertretung. „Der Anstieg von Depressionen und Essstörungen von jungen Erwachsenen während der Pandemie ist erschreckend. Die Jugendlichen benötigen Hilfe. Auch unsere Landespolitik muss das Thema Kinder- und Jugendgesundheit in den Fokus rücken, damit Langzeitfolgen vermieden werden. Hierbei sollten die Themen psychische Gesundheit, gesunde Ernährung und Sport eine bedeutende Rolle spielen. Die Erkenntnisse aus unserer Analyse können dabei als Grundlage dienen.“
Anstieg psychischer Erkrankungen bei Mädchen
Die Daten des hessischen Kinder- und Jugendreports zeigen, dass vor allem bei Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren die Neuerkrankungsraten bei bestimmten psychischen Erkrankungen zunehmen. Wenn man die Entwicklung bei Mädchen in dieser Altersgruppe herausgreift, wird der Anstieg noch deutlicher: So wurden merklich mehr Mädchen mit einer Essstörung (plus 57 Prozent) behandelt. Gleichzeitig erhielten sieben Prozent mehr jugendliche Mädchen die Diagnose Depression als vor der Corona-Pandemie. Besonders auffällig: Jugendliche Mädchen mit Depressionen wurden verstärkt mit Medikamenten behandelt. So stieg die Verordnung von Antidepressiva um 53 Prozent. Somit bekam fast jedes sechste Mädchen, das 2021 die Neudiagnose Depressionen erhielt, Antidepressiva verschrieben (15,8 Prozent).
Insgesamt wurden 2021 im Vergleich zu 2019 mehr Teenager aufgrund einer Sprachstörung (plus 14 Prozent) oder ADHS (hyperkinetische Störungen: plus sieben Prozent) ärztlich versorgt.
Neben jugendlichen Mädchen leiden in Hessen auch jüngere Mädchen in der Altersgruppe von zehn bis 14 Jahren verstärkt unter psychischen Erkrankungen. Die Depressions-Neuerkrankungsrate stieg in dieser Gruppe um 28 Prozent. Aufgrund einer Essstörung kamen rund ein Viertel mehr weibliche Schulkinder in hessische Arztpraxen und Krankenhäuser (plus 25 Prozent). Anders als im Bund zeigt sich in Hessen auch bei Jungen im Alter zwischen zehn und 14 Jahren ein starker Anstieg bei Essstörungen (plus 63 Prozent). Es wurden aber nur halb so viele Jungen wie Mädchen mit einer Anorexie oder Bulimie behandelt, nimmt man die absoluten Zahlen in den Blick. Bei männlichen Jugendlichen (15 bis 17 Jahre) gingen die Behandlungszahlen von Essstörungen deutlich zurück (minus 31 Prozent).
Depressionen: Große Unterschiede bei Mädchen und Jungen
Mädchen und Jungen leiden unterschiedlich unter den Auswirkungen der Pandemie und den damit verbundenen Maßnahmen. Das zeigt das Beispiel Depressionen: Während 28 Prozent mehr 10- bis 14-jährige Mädchen 2021 erstmalig aufgrund einer Depression behandelt wurden, gab es bei den Jungen einen Rückgang um 30 Prozent. Dieser Trend setzt sich in der Alstergruppe der 15- bis 17-Jährigen fort: Hier sanken die Behandlungszahlen bei Jungen um 19 Prozent, während sie bei Mädchen um sieben Prozent stiegen.
Leichter Anstieg von Adipositas bei hessischen Grundschulkindern
Anders als im Bundesschnitt stieg die Adipositas-Neuerkrankungsrate bei Grundschulkindern in Hessen nur leicht. Zwar wurden 2021 vier Prozent mehr Mädchen aufgrund einer Adipositas-Diagnose ärztlich versorgt als vor der Pandemie, aber bei Jungen blieben die Zahlen konstant. Insgesamt stiegen damit die Adipositas-Zahlen bei hessischen Grundschulkindern um zwei Prozent. Damit hebt sich Hessen positiv vom Bundestrend ab: Im Bund nahmen die Adipositas-Neuerkrankungen bei Grundschulkindern um 14 Prozent zu.
Auch bei hessischen Jugendlichen zeigt sich ein anderes Bild als im Bund. So sank in Hessen die Zahl der 15- bis 17-Jährigen, die 2021 erstmalig aufgrund von Adipositas behandelt wurden, um 15 Prozent. Im Bund hingegen gab es einen Anstieg um elf Prozent.
Weniger Arztbesuche, Medikamente und Krankenhausaufenthalte
Im zweiten Corona-Jahr kamen insgesamt weniger Kinder und Jugendliche in hessische Arztpraxen und Krankenhäuser als vor der Pandemie. So gingen 2021 Arztbesuche um sechs Prozent und Krankenhausaufenthalte um 17 Prozent im Vergleich zu 2019 zurück. Besonders große Rückgänge in der ambulanten und stationären Versorgung gab es bei Infektionskrankheiten (minus 45 Prozent) und Atemwegserkrankungen (minus 38 Prozent). Darüber hinaus bekamen im vergangenen Jahr 15 Prozent weniger Kinder- und Jugendliche Arzneimittel als in der Vor-Corona-Zeit verschrieben. Die Zahl der verordneten Antibiotika sank 2021 im Vergleich um 43 Prozent, die der Reserveantibiotika sogar um 47 Prozent.
Für den hessischen Kinder- und Jugendreport analysierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld beispielsweise für das Jahr 2021 365.000 Arzneimittelverschreibungen, 406.000 Arztbesuche 11.000 Krankenhausaufenthalte.
Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten, davon rund 620.000 in Hessen, die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit.