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Mit neurogenem Zittern natürlich entspannen

Neurogenes Zittern: Mann mittleren Alters macht die Übung Wandsitz.

Zittern – für viele ein Zeichen von Kälte oder Nervosität. Doch was, wenn es auch ein natürlicher Weg wäre, Stress abzubauen? Genau hier setzt das Konzept des neurogenen Zitterns an. Dabei handelt es sich nicht um eine Krankheit oder ein unkontrolliertes Nervenproblem, sondern um eine instinktive Körperreaktion, die wir mit bestimmten Übungen gezielt aktivieren können – und die bereits vielen Menschen geholfen hat, emotionalen Ballast abzuschütteln. Wir erklären dir, was genau hinter neurogenem Zittern steckt, wie du es erkennst, wann es sinnvoll ist – und worauf du achten solltest, bevor du damit beginnst.

Was ist neurogenes Zittern?

Vielleicht hast du es selbst schon erlebt: Nach einer emotionalen Situation zittern dir plötzlich die Beine oder du spürst ein feines Beben im Bauch. Das ist kein Grund zur Sorge – sondern ein Zeichen dafür, dass dein Körper gerade Spannung loslässt.

Dabei handelt es sich um unwillkürliche Muskelvibrationen, die aus dem zentralen Nervensystem heraus entstehen. Unser Körper nutzt dieses Zittern als eine Art Reset-Mechanismus, um nach Belastung wieder in die Balance zu kommen. Bei manchen zeigt es sich nur leicht, bei anderen als Zittern am ganzen Körper.

Im Unterschied zu krankhaftem Zittern, wie man es etwa von Parkinson oder dem Tourette-Syndrom kennt, ist neurogenes Zittern keine Krankheit, sondern eine gesunde Entladungsreaktion. Ähnlich wie Tiere sich nach Stress „ausschütteln“, nutzt auch unser Körper dieses Zittern zur Selbstregulation – eine Art Zitter-Therapie.

Zittern gegen Stress: Wenn der Körper loslassen will

Stress wirkt nicht nur auf den Kopf, sondern auch auf die Muskeln. Besonders Rücken, Schultern und Becken verkrampfen sich oft unbewusst.

Neurogenes Zittern setzt genau hier an: Tief sitzende Anspannung kann gezielt und sicher abgebaut werden, zum Beispiel durch eine bestimmte Körperhaltung oder Übungen. Viele Menschen empfinden das als erleichternd – körperlich wie emotional.

Auch mentale Stärke spielt beim Stressabbau eine wichtige Rolle – hier findest du Tipps, wie du gezielt deine mentale Resilienz stärken kannst.

Therapeutisches Zittern mit TRE: Wie funktioniert neurogenes Zittern?

Ein strukturierter Ansatz, um dieses natürliche Zittern bewusst einzusetzen, ist die Methode TRE® – kurz für Tension and Trauma Releasing Exercises, auf Deutsch so viel wie Übungen, um Spannungen und Trauma loszulassen. Entwickelt wurde sie vom amerikanischen Bioenergetik-Therapeuten Dr. David Berceli, der viel mit traumatisierten Menschen weltweit gearbeitet hat.

Was ist TRE?

TRE besteht aus sieben einfach zu erlernenden Körperübungen, die helfen, muskuläre Anspannungen zu lösen. Das Ziel: Den Körper in ein kontrolliertes, neurogenes Zittern zu versetzen, damit sich das Nervensystem selbst regulieren kann.

Wie funktioniert therapeutisches Zittern

Die Übungen werden meist stehend oder liegend durchgeführt und führen gezielt zur Ermüdung bestimmter Muskelgruppen – vor allem im Beckenbereich. Dadurch entsteht ein feines, spontanes Zittern, das durch den Körper wandern kann. Viele spüren dabei ein Vibrieren, etwa in den Beinen, im Bauch oder Rücken.

Die Bewegungen sehen oft unspektakulär aus, doch sie haben eine tiefe Wirkung auf das vegetative Nervensystem. Studien und Erfahrungsberichte deuten darauf hin, dass TRE helfen kann bei:

Für wen ist neurogenes Zittern geeignet?

Grundsätzlich gilt: Gesunde Erwachsene ohne akute psychische oder neurologische Erkrankungen können TRE in der Regel bedenkenlos ausprobieren – vor allem dann, wenn es um alltäglichen Stress, Muskelverspannungen oder das Zittern bei Nervosität geht.

Vorsicht ist geboten bei:

  • Akuten psychischen Erkrankungen (schwere Depression, Post-Traumatische-Belastungs-Störung (PTBS), Angststörung)
  • Neurologischen Vorerkrankungen mit unklarer Ursache für Zittern
  • Herz-Kreislauf-Problemen, bei denen die körperliche Belastbarkeit eingeschränkt ist
  • Schwangerschaft (nur nach Rücksprache mit medizinischem Fachpersonal)

Wenn du dir unsicher bist, sprich vorher mit einem Arzt, einer Therapeutin oder einer zertifizierten TRE-Fachkraft.

Auch wenn du während der Übungen merkst, dass dich die Reaktionen emotional oder körperlich überfordern, ist es sinnvoll, dir professionelle Unterstützung zu holen. Das gilt besonders, wenn du starke emotionale Schwankungen spürst, unsicher bist, ob das Zittern normal ist oder du gesundheitliche Einschränkungen hast, die du nicht allein einschätzen kannst.

Neurogenes Zittern: Was sagen Studien zur Wirksamkeit?

Wenn du zum ersten Mal von dem therapeutischen Zittern hörst, fragst du dich vielleicht, ob das auch wissenschaftlich fundiert ist. Doch auch, wenn die Methode auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, gibt es durchaus erste wissenschaftliche Ansätze, die ihre Wirkung näher beleuchten:

Die Forschung steckt zwar noch in den Kinderschuhen, aber das therapeutische Zittern kann positive Effekte auf das vegetative Nervensystem haben – vor allem bei Stress oder einem Trauma.

Trotz dieser positiven Ansätze gibt es aber auch Kritik zum neurogenen Zittern, vor allem aus der Schulmedizin und evidenzbasierten Psychotherapie, eine Behandlung, die auf wissenschaftlich nachgewiesener Wirksamkeit beruht. Häufigster Kritikpunkt: Die bislang fehlende groß angelegte, kontrollierte Studienlage, die die Methode eindeutig als wirksam belegt.

Dabei gehen die Meinungen von Fachleuten auseinander: Während einige TRE als sanfte Selbsthilfe schätzen, warnen andere davor, schwerwiegende psychische Traumata ohne fachliche Begleitung zu bearbeiten. Auch neurologisch bedingtes Zittern, etwa bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems, sollte nicht mit neurogenem Zittern verwechselt werden.

TRE ist also keine Ersatz-Psychotherapie, aber ein möglicher Baustein in einem ganzheitlichen Stress- oder Traumabewältigungsprozess – mit Potenzial, aber auch mit Grenzen.

Typische TRE Übungen für neurogenes Zittern

Wenn du selbst erleben willst, wie sich neurogenes Zittern anfühlt, kannst du das relativ einfach ausprobieren – mit sieben Basisübungen, die von TRE-Erfinder Dr. David Berceli entwickelt wurden. Sie sind so konzipiert, dass sie sowohl für Unerfahrene als auch für Fortgeschrittene geeignet sind.

Die Übungen zielen darauf ab, bestimmte Muskelgruppen – insbesondere im unteren Rücken und Beckenbereich – zu ermüden. Dadurch wird das Zittern ausgelöst, ohne dass du etwas bewusst steuerst.

Typische Übungen sind beispielsweise:

Wand-Sitz

Diese Übung aktiviert gezielt Oberschenkel und Hüfte – zentrale Bereiche, in denen wir oft Stress speichern.

So geht’s: Lehne dich mit dem Rücken gegen eine Wand, als würdest du auf einem unsichtbaren Stuhl sitzen. Die Knie stehen im 90 Grad-Winkel über den Füßen. Halte die Position so lange, bis du ein leichtes Zittern in den Oberschenkeln spürst. Atme ruhig weiter, verkrampf dich nicht. Das Zittern darf sanft einsetzen – du musst dich nicht durchbeißen.

Schmetterlingsposition im Liegen 

Diese Übung lädt deinen Körper zum Loslassen ein und ist oft der Moment, in dem das Zittern ganz natürlich beginnt.

So geht’s: Lege dich auf den Rücken, die Fußsohlen berühren sich, die Knie fallen locker nach außen. Bleib für einige Minuten in dieser Position. Wenn du magst, bring die Knie danach langsam näher zusammen – dabei kann das Zittern einsetzen.

Fußheben im Stehen

Diese Übung dehnt und ermüdet die Waden- und Oberschenkelmuskulatur.

So geht’s: Stelle dich hüftbreit hin und verlagere das Gewicht abwechselnd auf die Fußballen, sodass sich deine Fersen heben. Wiederhole das für zwei bis drei Minuten. Danach spürst du möglicherweise ein Zittern oder Vibrieren in den Beinen.

Beckenkreisen im Stehen

Eine dynamische Übung, die besonders gut Verspannungen im unteren Rückenbereich löst.

So geht’s: Stelle dich mit leicht gebeugten Knien hin und beginne langsam, dein Becken kreisförmig zu bewegen – erst im Uhrzeigersinn, dann andersherum. Lass den Oberkörper dabei locker. Du kannst die Bewegung nach einigen Minuten stoppen und kurz innehalten – vielleicht beginnt das Zittern dann ganz von allein.

Kniekippen im Liegen

Eine sanfte, rhythmische Übung zur Aktivierung der tief liegenden Muskulatur im Beckenbereich.

So geht’s: Lege dich auf den Rücken, stelle die Füße hüftbreit auf, die Knie zeigen nach oben. Kippe die Knie langsam und abwechselnd nach links und rechts – wie ein Wischer. Nach einigen Minuten kann das Zittern beginnen, vor allem im unteren Rücken oder im Bauchbereich.

Was sonst noch wichtig ist

Die richtige Atemtechnik bei Bewegung kann dir zusätzlich helfen, in TRE-Übungen besser loszulassen.

Tipps zum Stressabbau

Wenn du Unterstützung bei deinem Stressmanagement benötigst, haben wir ein paar Tipps und Tricks für dich.

Auch wenn TRE grundsätzlich einfach und sicher ist, solltest du ein paar Dinge beachten:

  • Führe die Übungen in einem ruhigen, ungestörten Raum durch.
  • Höre auf deinen Körper. Das Zittern darf sich angenehm und befreiend anfühlen, nicht bedrohlich oder überfordernd.
  • Wenn du aktuell unter starkem psychischem Druck oder Trauma-Symptomen leidest, empfehlen wir: Starte unter professioneller Anleitung.

Gerade am Anfang ist eine fachliche Begleitung sehr hilfreich, um zu verstehen, wie sich das Zittern anfühlen darf – und um mit aufkommenden Emotionen sicher umzugehen. Nach einigen Sitzungen mit professioneller Anweisung kannst du dich, wenn du dich sicher fühlst, auch selbst an die Übungen wagen.

Für Kurse zum neurogenen Zittern übernehmen wir die Kosten nicht. Wir unterstützen dich aber bei Präventionskursen zur Stressbewältigung. Hier übernehmen wir anteilig deine Kosten.

Häufig gestellte Fragen zu neurogenem Zittern

Was ist neurogenes Zittern in einfachen Worten?

Neurogenes Zittern ist ein natürlicher Mechanismus deines Körpers, um Stress und Anspannung loszulassen. Es zeigt sich als feines Muskelzittern, das durch gezielte Übungen oder nach belastenden Situationen spontan auftreten kann – etwa in den Beinen, im Bauch oder im Nacken.

Wie merkt man, ob Zittern stressbedingt oder medizinisch ist?

Stressbedingtes Zittern tritt häufig unmittelbar nach intensiver Anspannung oder während bestimmter körperlicher oder mentaler Belastung auf. Es ist in der Regel vorübergehend, situationsabhängig und verschwindet, sobald der Stress nachlässt. Dieses Zittern ist eine normale Reaktion deines Körpers auf Überforderung oder Nervosität und unterscheidet sich deutlich von neurogenem Zittern, das gezielt therapeutisch ausgelöst wird, um tiefsitzende Spannungen zu lösen.

Medizinisches Zittern hingegen (zum Beispiel bei Nervenstörungen oder neurologischen Erkrankungen) zeigt sich anhaltend, unkontrolliert und unabhängig von konkreten Stresssituationen.

Erkennst du dich im stressbedingten Zittern wieder? Wir zeigen dir, wie du mit Yoga Stress bewältigen kannst.

Abgrenzung zu medizinischen Ursachen: Wann zur Behandlung?

Tritt das Zittern plötzlich und ohne erkennbaren Auslöser auf, ist anhaltend oder sehr stark oder geht es mit weiteren Symptomen einher (zum Beispiel Sehstörungen, Schwäche, Sprachprobleme), dann solltest du es unbedingt ärztlich abklären lassen. Mögliche Ursachen können neurologischer Natur sein – wie Parkinson, Multiple Sklerose (MS) oder eine Störung im zentralen Nervensystem. Auch Vibrieren im Körper ohne Zusammenhang zu Bewegung oder Entspannungstechniken kann ein Warnsignal sein.

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DAK Onlineredaktion

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