Hormonersatztherapie in den Wechseljahren
Welche Frauen kommen zu Ihnen, um sich über eine Hormonersatztherapie zu informieren?
Dr. Schaudig: „Frauen mit Hitzewallungen. Frauen mit Schweißausbrüchen. Frauen mit Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen und vielem mehr. Das sind Frauen, die sich sagen: So, es reicht jetzt, ich halte diese Wechseljahre nicht mehr aus. Sind diese Beschwerden durch mangelndes Östrogen verursacht, hilft eine Hormonersatztherapie sofort – die Hitzewallungen und Schweißausbrüche verschwinden.“
Gibt es noch mehr Benefits?
Wie genau funktioniert eine Hormonersatztherapie?
Dr. Schaudig: „Betrachten wir dafür erstmal den weiblichen Zyklus: Vereinfacht gesagt, produziert der Körper in den ersten zwei Wochen nur Östrogen. Nach dem Eisprung bildet er dann das Hormon Progesteron – das Ziel: die Gebärmutter für die Schwangerschaft vorbereiten. Kommt eine Frau in die Wechseljahre, nimmt die Produktion beider Hormone in den Eierstöcken ab – und das verursacht die unschönen Begleiterscheinungen. Wie der Name schon verrät, ersetzt die Hormonersatztherapie die fehlenden Hormone. In der Regel handelt es sich dabei um Östrogen und Gestagen – entweder das natürliche (bioidentische) Progesteron oder synthetische Gestagene. Letzteres ist notwendig, damit die Gebärmutter durch das Östrogen nicht unentwegt Schleimhaut aufbaut und sich damit das Risiko für Gebärmutterkörperkrebs erhöht. Wurde einer Frau die Gebärmutter entfernt, kann das Gestagen entfallen.“
Und mit welchen Nachteilen müssen die Patientinnen rechnen?
Gibt es auch Frauen, denen Sie grundsätzlich von der Behandlung abraten?
Dr. Schaudig: „Frauen, die bereits Brustkrebs hatten, dürfen keine Hormontherapie durchführen. Darüber hinaus müssen die behandelnden Ärzte und Ärztinnen alle übrigen Risikofaktoren individuell einschätzen: Sind Brustkrebsfälle in der Familie bekannt oder liegt ein genetischer Risikofaktor vor? Das gilt besonders auch für das Thrombose- und Schlaganfallrisiko. Gibt es eine Vorbelastung, muss auf jeden Fall eine regelmäßige Kontrolle erfolgen.“
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Gibt es denn auch akute Nebenwirkungen?
Dr. Schaudig: „Ja, insbesondere direkt am Anfang oder nach zu hoch gewählter Dosis, vor allem wenn der Eierstock noch ab und zu „mitarbeitet“. Die häufigsten sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Brustschmerzen, vor allem aber Blutungsstörungen.“
Nehmen wir an, die Frau entscheidet sich für die Hormontherapie. Was passiert jetzt?
Dr. Schaudig: „Wir verwenden in Deutschland ausschließlich bioidentisches Östrogen. Das besitzt die gleiche Struktur wie das körpereigene Hormon. Die Frau schluckt es entweder als Tablette oder sie trägt es auf die Haut auf – als Gel, Pflaster oder Spray. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig, da die Aufnahme des Hormons über die Haut anders erfolgt als über den Magen. Bildet der Körper Östrogen in den Eierstöcken, gibt er das Hormon von dort direkt ins Blut ab. Wer eine Tablette schluckt, nimmt das Hormon über die Leber auf.“
Was ist der Unterschied?
Dr. Schaudig: „Als Tablette gelangt das Hormon auf einen Schlag mit der vollen Dosis in die Leber. Die verstoffwechselt das Östrogen und bildet dabei auch vermehrt Gerinnungsfaktoren. Dies führt zu einer gesteigerten Gerinnungsneigung – es besteht bei Patientinnen, die hierfür ein Risiko mitbringen, die erhöhte Gefahr einer Thrombose. Wendet die Frau Östrogen über die Haut an, umgeht das Hormon die erste Leberpassage. So werden keine oder nur wenige zusätzliche Gerinnungsfaktoren produziert. Dadurch nimmt die Thrombosegefahr nicht zu. Das ist wichtig für Frauen, die ein erhöhtes Risiko dafür mitbringen, zum Beispiel bei deutlichem Übergewicht, Thrombosen in der Vorgeschichte oder bei Familienangehörigen etc.“
Wann sollte eine Frau mit der Hormonersatztherapie beginnen?
Dr. Schaudig: „Ab dem Moment, in dem ein deutlicher Leidensdruck vorliegt. Bei vielen Frauen ist das nach der letzten Regelblutung, also in der sogenannten Postmenopause. Häufig sind die Beschwerden aber auch schon vor der Menopause, also der letzten Regelblutung, so stark. Dann ist die Behandlung schwieriger, weil der Eierstock noch Hormone produziert. Das müssen der Arzt oder die Ärztin bei der Behandlung berücksichtigen – eine Therapie ist aber trotzdem möglich. Allerdings kann es sein, dass es in dieser Phase problematischer ist, bioidentische Hormone einzusetzen. Daher greifen Ärztinnen und Ärzte auch auf synthetische Gestagene zurück.“
Wie lange dauert eine Hormontherapie in der Regel?
Dr. Schaudig: „Dafür gibt es keine Faustregel. Grundsätzlich behandeln wir so lange, wie Beschwerden da sind. Meist verringern wir nach zwei bis drei Jahren der Therapie nach und nach die Dosis und beobachten: Wie geht es der Patientin während dieses Prozesses und danach? Treten wieder Beschwerden auf, kann die Hormonersatztherapie auch weiterlaufen – unter ständiger Kontrolle der Brust.“
Wie viel kostet eine Hormontherapie für die Patientin?
Dr. Schaudig: „Ist eine Hormontherapie ärztlich verordnet, übernimmt die Kasse in der Regel die Kosten.“
Was bieten Sie Patientinnen an, die sich gegen eine Hormontherapie entscheiden?
Dr. Schaudig: „Bei leichten bis mittleren Wechseljahrsbeschwerden, insbesondere Hitzewallungen und Schwitzen, helfen Extrakte der Traubensilberkerze. Eine weitere Möglichkeit sind Pflanzenstoffe mit östrogenhaltiger Wirkung, sogenannte Phytoöstrogene. Allerdings wirken diese wie bioidentisches Östrogen und sie können damit auch einen Einfluss auf die Brust haben. Gut untersucht ist dies allerdings nicht. Andere Methoden wie Hypnose, kognitive Verhaltenstherapie oder Akupunktur kommen ebenfalls in Betracht. Bei sehr schwerwiegenden Beschwerden und einer eindeutigen Kontraindikation für den Einsatz von Hormonen helfen auch eine Reihe von Psychopharmaka. Seit Anfang des Jahres gibt es die sogenannten NK3-Inhibitoren, die direkt in die Hitzeregulation des Körpers im Gehirn eingreifen und Hitzewallungen effektiv beheben können. Es handelt sich hierbei nicht um Hormone.“
Sakhi A. Noori
Mediziner bei der DAK-Gesundheit
Quellenangaben