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Sexueller Konsens – Spaß, wenn es allen gefällt

Psychologe Umut Özdemir spricht über sexuellen Konsens

Dein Schwarm steckt dir einen Zettel zu. Darauf steht: „Willst du mit mir gehen?“ Du kannst „Ja“, „Nein“ oder „Vielleicht“ ankreuzen. Die Frage ist klar, genau wie die Antwortmöglichkeiten. Was aber, wenn es um Sex geht und plötzlich alles nicht mehr ganz so eindeutig ist? Grund genug, um an dieser Stelle über sexuellen Konsens zu sprechen.

Was bedeutet sexueller Konsens?

„Willst du Sex mit mir?“ Genau um diese Frage geht es beim sexuellen Konsens. Wenn du Sex hast, gibt es eine Grundvoraussetzung: Du und deine Partnerin oder dein Partner müssen mit allen sexuellen Handlungen, die zwischen euch stattfinden, einverstanden sein. Achte deshalb immer darauf, dass der sexuelle Konsens, also das Einverständnis, bewusst und aktiv geäußert wird.

„Bekannt ist auch der Begriff ‚Consent‘, was auf Deutsch ‚Zustimmung‘ bedeutet. Im Zusammenhang mit Sex drückt er die Zustimmung zum Geschlechtsverkehr und anderen sexuellen Handlungen aus. Das bedeutet, dass alle involvierten Parteien gleichermaßen zu jeder Zeit mit allem einverstanden sind, was passiert. Ohne diese Zustimmung gilt der Sex als nicht einvernehmlich“, sagt Umut Özdemir, Sexualtherapeut und Experte im Doktorsex-Team der DAK. Beim nicht einvernehmlichen Sex macht sich immer die Person strafbar, die sich einer anderen gegen deren Willen aufdrängt.

Ein wichtiger Punkt ist, dass der Consent sowohl mit Worten als auch mit Gesten und Handlungen gegeben oder verweigert werden kann.

Was sagt die Politik zum Konsens beim Sex?

Die Politikerinnen und Politiker der Bundesregierung haben sich klar positioniert: „Nein heißt Nein.“ Anders gesagt: Wer ein klares Nein ausspricht oder das unmissverständlich mit Gesten oder Handlungen deutlich macht, meint Nein. Das steht im „Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung“. Das Gesetz gilt seit Ende 2016. „Der Paragraf 177 StGB bedeutet, dass jede sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen eines Dritten unter Strafe fällt. Wer dagegen verstößt, den kann eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren treffen“, erklärt Umut Özdemir und ergänzt: „Natürlich ist da noch Luft nach oben. Die Strafe kann härter ausfallen, wenn Gewalt angewendet wurde.“

In Spanien geht die Politik noch einen Schritt weiter. Hier gilt nicht „Nein heißt Nein“, sondern „Ja heißt Ja“. Du willst wissen, was da der Unterschied ist? Für die Ibererinnen und Iberer gilt der Sex nur als einvernehmlich, wenn alle aktiv zugestimmt haben. Auch wichtig: Ein Ja gilt nicht für immer. Genau wie eine Meinung kann sich auch die Zustimmung zum Sex ändern. Ein Beispiel: Jemand, der auf einer Party Ja dazu sagt, mit dir Sex zu haben, kann eine halbe Stunde später bei dir zu Hause Nein sagen.

Jetzt weißt du, was sexueller Konsens bedeutet. Viele junge Menschen stehen nun aber vor der Frage: „Klar, ‚Nein heißt Nein‘, aber was ist, wenn ich Schwierigkeiten habe, die Situation richtig zu deuten?“

Wir sind wieder bei den drei Antworten – „Ja“, „Nein“ oder „Vielleicht“. Consent beim Sex besteht nur dann, wenn ein klares Ja ausgesprochen wird. Nein heißt natürlich Nein. „Vielleicht“ oder auch „Ich weiß nicht“ zeigen dir, dass dein Sexualpartner oder deine Sexualpartnerin unsicher ist und in den überwiegenden Fällen (noch) nicht bereit ist, mit dir zu schlafen. Sei einfühlsam und zeige deinem Gegenüber, dass du Respekt vor seiner oder ihrer Entscheidung hast.

Bist du nicht der aktive, sondern der passive Part und dir unsicher, was du willst, raten wir dir, kurz innezuhalten. Mach eine kleine Pause und höre auf deine innere Stimme. Wenn die sagt „Ich weiß nicht“ oder „Nein“, lass es bleiben. Es ist auch vollkommen normal, mal keine Lust auf Sex zu haben. Für die meisten ist es immer wichtig, vorher Vertrauen aufgebaut zu haben.

Wie kannst du nach bestem Wissen und Gewissen sichergehen, dass dein Gegenüber einverstanden ist?

  • Über Sex reden, auch wenn es nicht leichtfällt.
  • Grenzen achten / aufmerksam sein, beobachten, wie die Reaktionen ausfallen und gegebenenfalls den respektvollen Rückzug antreten.
  • Explizit fragen: Magst du das? Ist das in Ordnung?
  • Auf Körpersprache achten

Ein Nein zu akzeptieren, schafft Vertrauen

Die Hormone spielen verrückt, die andere Person ist heiß und du stellst dir schon vor, wie ihr nackt loslegt. Nicht nur in solchen Momenten kann es schwer sein, ein Nein als Grenze der anderen Person zu akzeptieren – auch wenn das ohnehin nicht Okay ist. Das Wichtigste ist, und das klingt paradox, feiere das Nein, wenn es dich trifft. Klingt komisch, ist aber so. Dein ausgewählter Sexualpartner oder Sexualpartnerin hat den Mut und das Vertrauen in dich, dir klar zu sagen, was Phase ist – selbst auf die Gefahr hin, dich zu verprellen. Unser Tipp: Lass dich nicht verprellen, sondern freu dich, eine mutige Person getroffen zu haben.

Ja heißt Ja, kann aber auch zeitlich begrenzt sein

Du und deine Partnerin oder dein Partner wollt beim Sex mal was Neues ausprobieren. Es ist normal, dass nicht jede Spielart beiden gleich gut gefällt. Hier kann ein „Ja“ schnell zu einem „Nein“ werden. Auch in diesem Fall gilt: Respektiere die Grenzen deines Gegenübers.

Willigst du ein, mit deiner Partnerin oder deinem Partner etwas Bestimmtes auszuprobieren, heißt das nicht, dass du dieser Sache für alle Zeiten automatisch zustimmst. Das kannst du ruhig von Anfang an klarmachen.

Vertrau dir selbst

Lieber ein Nein zu viel als ein Ja zu wenig. Nicht nur dein Partner oder deine Partnerin – auch du selbst musst lernen, dein Nein zu akzeptieren und zu äußern. Das kann schwierig sein. Vielleicht hast du Angst, jemanden vor den Kopf zu stoßen. Oder du wolltest am Anfang Sex, dir ist aber auf dem Weg dahin die Lust vergangen. Das kann passieren und ist überhaupt nicht schlimm. Bleib dir selbst treu und lass es nicht „einfach so über dich ergehen“. Sex ist nur dann großartig, wenn er allen Beteiligten Spaß macht.

Klar, es gibt auch sexuellen Missbrauch oder sexuelle Übergriffe durch Frauen oder bei gleichgeschlechtlichen Begegnungen. Die meisten Übergriffe werden aber von Männern an Frauen begangen. „Dies ist allein schon problematisch, weil Männer Frauen in vielen Fällen körperlich etwas überlegen sind. Das kann dazu führen, dass eine Frau sich nicht traut, ganz klar ‚Nein‘ zu kommunizieren, weil sie Angst vor den Konsequenzen hat“, sagt Umut Özdemir.

Es herrscht auch dann kein Consent, wenn dein Gegenüber von der Situation überfordert ist (das gilt natürlich auch für dich) und erstarrt. Die wenigsten sagen oder signalisieren dann ein klares Nein. „Aus der Traumaforschung ist bekannt, dass dieses Erstarren eine typische Reaktion auf eine Grenzüberschreitung ist“, erklärt Özdemir.

Auch freizügige und sexy Kleidung ist kein Consent. „It´s a dress, not a yes.” Dieser bekannte Satz soll deutlich machen, dass jeder Mensch die Kleidung tragen darf, die er möchte, ohne damit bereits ein Einverständnis zu sexuellen Handlungen zu kommunizieren.

Hilfsangebote für Betroffene von sexualisierter Gewalt
Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch: 0800 22 55 530

Du benötigst Hilfe oder jemandem zum Reden, weil du sexuelle Gewalt erlebt hast und du nicht weißt, wie du damit umgehen und was du tun kannst?  Das Team des Hilfe-Telefons Sexueller Missbrauch ist für dich da. Unter der Telefonnummer 0800 22 55 530 erreichst du montags, mittwochs und freitags von 9 bis 14 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 15 bis 20 Uhr eine Ansprechperson, die dich unterstützt und berät.

Weitere Informationen und Hilfsangebote bei sexuellem Missbrauch erhältst du hier

Was ist, wenn ich eine Grenze überschritten habe?

Wir verharmlosen nichts: Sich einer anderen Person sexuell aufzudrängen, geht gar nicht und ist zu Recht strafbar. Aber es kann passieren, dass trotz bester Absichten eine Grenze beim Partner oder bei der Partnerin überschritten wird. Zum Beispiel, wenn die Signale des Gegenübers falsch gedeutet werden.

Passiert das und du merkst, dass sich die andere Person aktiv zurückzieht oder sogar weint, sei einfühlsam. Gerade, wenn man sexuell unerfahren ist, kann es vorkommen, dass man sich unbewusst einer Grenze nähert oder diese überschreitet. Diese Momente bieten allen Beteiligten die Gelegenheit, dem anderen zuzuhören und im besten Fall voneinander zu lernen.

Welche Folgen hat nicht einvernehmlicher Sex?

Gesetzlich ist die Lage eindeutig: Wer die sexuellen Grenzen eines anderen nicht respektiert und diese ohne dessen Zustimmung überschreitet, muss mit einer Anzeige sowie einer anschließenden Verurteilung samt Strafe rechnen.

Manchmal passiert es, dass einer der Beteiligten seine Meinung kurz vor dem oder während des Sex ändert und sich nicht traut, das Ganze abzubrechen. Vielleicht will er oder sie den Partner oder die Partnerin nicht verärgern, weil er es nicht „durchzieht“. Oder hat Angst, fallen gelassen zu werden. Das Problem: So können Aversionen gegen Sex entstehen – Abneigungen, die dich lange Zeit begleiten können. Für dein Wohl (und das deiner Partnerschaft, wenn du dich in einer befindest) ist es deshalb ganz wichtig, dass du sagst, wenn du irgendetwas nicht möchtest.

Fazit:

Sexueller Konsens ist die Grundlage für erfüllenden und schönen Sex. Beide Partner signalisieren mit Worten oder Taten, dass sie mit dem einverstanden sind, was gerade oder gleich passiert. Das ist die Basis für vertrauensvollen Sex. Wer sich nicht an den Konsens hält, sich über die Grenzen des Sexualpartners oder der Sexualpartnerin ohne dessen oder deren Einverständnis hinwegsetzt, begeht eine Straftat. Diese wird zur Anzeige gebracht und vom Staat bestraft. Nimm ein „Nein“ beim Sex nicht als Zurückweisung, sondern betrachte es so: Die Person vor dir hat vielleicht all ihren Mut zusammengenommen und echte Stärke bewiesen. Es lohnt sich, dass Nein zu feiern und so das Vertrauen eines wunderbaren Menschen zu erobern.

Hast du weitere Fragen, Themenwünsche oder etwas anderes rund um deine Gesundheit auf dem Herzen? Dann schreib uns: doktorsex@dak.de! Wir freuen uns, von dir zu hören.

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