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Postpartale Depression – Traurigkeit statt Mutterfreuden

Abb-Wochenbettdepression

Auch wenn immer noch kaum jemand darüber spricht: Bei vielen frischgebackenen Mamas stellt sich nach der Geburt tiefe Traurigkeit statt großer Freude ein. Meist vergeht dieses Tief von ganz allein wieder. Bleibt es, kann daraus eine postpartale Depression entstehen.

Woran du eine postpartale Depression erkennst, wie sie entsteht und wo du Hilfe bekommst, erklärt Diplom-Psychologin Nina Schulze, leitende Psychologin der Nervenärztliche Versorgungsgesellschaft Dr. Tonn mbH im Neuropsychiatrischen Zentrum Hamburg.

Was genau ist eine postpartale Depression?

Nina Schulze: „Die Geburt eines Kindes ist ein einschneidendes Erlebnis im Leben einer Frau, das von einer Minute auf die andere unglaublich viele Veränderungen mit sich bringt. Auch wenn die meisten Frauen sehr gut vorbereitet sind, Kurse besucht haben, ein Netzwerk aufgebaut haben und die Wohnung fürs Kind bereit ist, kann einen doch niemand darauf vorbereiten, welche psychische Auswirkungen da auf einen zukommen und wie belastend die Situation, vor allem in den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt, wirklich ist.

Alle müssen sich an die neue Situation anpassen – natürlich auch die Väter und das gesamte Umfeld. Ein gewisses Maß an Stress und Belastung nach der Geburt ist also völlig normal. Wir bezeichnen das als ,Baby Blues‘, ein kürzeres Stimmungstief, das meist am 3. bis 5. Tag nach der Geburt eintritt und nach wenigen Stunden bis maximal einigen Tagen wieder vorbei ist. Hiervon sind etwa 50 bis 80 Prozent aller Mütter betroffen. Dennoch sollte das Umfeld hier verständnisvoll reagieren und die Mutter in der Bewältigung des Alltags unterstützen.

Wir Menschen sind sehr anpassungs- und lernfähig, weshalb die Belastung in den meisten Fällen nach einiger Zeit gut bewältigt ist. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen wir nicht nur von einer ,normalen‘ Erschöpfung und Überforderung sprechen, sondern in denen diese Anpassungsleistung nicht gut gelingt und es zu einer starken psychischen Belastung der Mutter kommt, die sich sowohl in Stimmung als auch im Sozialverhalten zeigt. Am häufigsten ist hier die postpartale Depression, aber auch Ängste und Zwänge sind möglich. Die Beschwerden sind zeitlich länger anhaltend, unbehandelt auch über Monate, und stellen eine hohe Belastung für Mutter, Kind und Familie dar.“

Smart-e-Moms: App bietet schnelle Hilfe bei Wochenbettdepressionen

Schnelle Hilfe für Mütter mit Wochenbettdepressionen - das will Smart-e-Moms ermöglichen. Bei „Smart-e-Moms“ handelt es sich um eine App, die psychologische Beratung und Angebote bei postpartalen Depressionen anbietet. Entwickelt wurde die App von der Freien Universität Berlin sowie dem UKE und das gemeinsam mit ehemals betroffenen Frauen. Derzeit wird die App in einer wissenschaftlichen Studie untersucht. Die Datennutzung über die App ist anonym und dient nur dem Zweck der Forschung. Es werden noch Teilnehmerinnen gesucht.

Und wie entsteht die Erkrankung?

Nina Schulze: „Es gibt viele Ursachen, die die Erstehung einer postpartalen Depression bedingen. Wir sprechen daher von einem ,multifaktoriellen Entstehungsmodell‘, denn meistens kommen mehrere der Faktoren zusammen. Die Entstehung ist also bei jeder Mutter individuell unterschiedlich und muss auch so betrachtet und behandelt werden.

An erster Stelle stehen physische Faktoren wie zum Beispiel die hormonelle Umstellung im Körper nach der Geburt oder auch biochemische Veränderungen durch andauernden Stress oder schlaflose Nächte. Dazu kommen Ursachen um die Geburt herum, wie zum Beispiel Schwangerschafts- oder Geburtskomplikationen oder Schwierigkeiten beim Stillen. Auch tritt bei vielen Müttern ein ,Realitätsschock‘ ein, wenn die Vorstellung von einem ,Traumbaby‘ oder der Zeit mit dem Baby nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Auch die neue Rolle als Mutter kann zu einer Identitätskrise und zu Druck führen, wenn die Mutter hohe Ansprüche an sich und den Umgang mit dem Kind hat (die ,perfekte Mutter‘). Hier kommen auch oft Erwartungen aufgrund der Darstellung von Müttern in den Medien und aufgrund von Druck aus dem sozialen Umfeld der Mutter hinzu.

Wichtig ist, dass die Entstehung von perinatalen psychischen Erkrankungen, also Erkrankungen, die kurz vor, während oder kurz nach der Geburt eines Kindes auftreten, kein persönliches Versagen der Mutter darstellt und auch nichts über die Beziehung zum Kind oder ihren Umgang mit dem Kind aussagt.“

Psychotherapeutische Behandlung

Wie wir bei seelischen Problemen helfen

Was sind die Anzeichen einer postpartalen Depression?

Nina Schulze: „Die meisten Mütter sind tief erschöpft, fühlen sich überfordert oder haben wenig Energie oder Antrieb. Es kann zu Schlafstörungen kommen, Konzentrations- und Gedächtnisproblemen, Appetitlosigkeit und auch körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel und Herzrasen.
Viele Mütter berichten von anhaltender Traurigkeit und innerer Leere und weinen viel und oft ohne Auslöser. Sie spüren viele Ängste und Sorgen, haben zwiespältige Gefühle dem Kind gegenüber und sind leicht reizbar. Viele fühlen sich dann aufgrund dieser Beschwerden sehr schuldig und trauen sich nicht, sie offen auszusprechen.

Auch kann es zum Auftreten von Suizidgedanken kommen, die dann stark beängstigend wirken. In jedem Fall ist es wichtig, frisch entbundene Mütter offen anzusprechen und zu fragen, wie sie sich fühlen und was sie innerlich erleben, um sie zur Äußerung von psychischen Beschwerden zu ermutigen.“

Wer ist besonders gefährdet?

Nina Schulze: „Hat eine Frau bereits vor der Schwangerschaft psychische Probleme, sollte sie sich in jedem Fall bereits vor der Geburt um die Etablierung eines guten Hilfsnetzwerks kümmern. Das heißt aber nicht automatisch, dass sie eine postpartale Depression entwickeln wird. Eine Mutter, die nach der Geburt des ersten Kindes eine postpartale Depression entwickelt hat, kann dies auch mit höherer Wahrscheinlichkeit bei einer zweiten Geburt tun – aber auch hier gibt es keine Garantie für.
Schwangerschaft und Geburt

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sind sehr unterschiedlich und jede kann anders verlaufen.

Ungünstig ist in jedem Fall ein kritisches Umfeld, das hohe Erwartungen und Forderungen an die Mutter stellt und sie wenig unterstützt. Auch ist es ungünstig, wenn die Mutter sehr isoliert lebt und viel mit dem Kind allein ist. Ein gutes, stützendes soziales Umfeld und viele soziale Kontakte und Anbindungen sind in jedem Fall ein Schutzfaktor.“

Wie und wo bekomme ich Hilfe?

Nina Schulze: „Postpartale Depressionen sind gut behandelbar und die Chance, dass man wieder ,ganz die Alte‘ wird, ist sehr groß. In jedem Fall sollte die Einschätzung des Schweregrads der Symptome durch eine Fachkraft, also einen Arzt oder Psychotherapeuten erfolgen, um zu gewährleisten, dass die richtige Behandlung erfolgen kann.

Im Falle eines leichteren ,Baby Blues‘ ist oftmals schon eine gründliche Aufklärung über das Phänomen ausreichend, um die Mutter und deren Angehörige zu entlasten. Hierzu gehört die Aufklärung über Symptome, Häufigkeit und Ursache der Beschwerden. Es sollte deutlich werden, dass die Mutter Unterstützung durch Angehörige benötigt, in der Regel jedoch keine professionelle Hilfe wie Therapie oder Medikamente nötig sind, denn das Stimmungstief geht in der Regel von allein vorbei.

Bei einer ausgeprägten postpartalen Depression oder auch beim Auftreten von Ängsten oder Zwängen ist jedoch die Behandlung durch Ärzte und/oder Psychotherapeuten dringend nötig, um langfristige negative Folgen für Mutter, Kind und die gesamte Familie zu vermeiden. Abhängig von der individuellen Symptomatik ist eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten nötig. Die medikamentöse Behandlung führt hierbei am schnellsten zu einer Besserung der Beschwerden und ist fast immer auch mit dem Stillen des Kindes vereinbar. Die Medikamente helfen, wieder zu Kraft und alter Stärke zu finden und die neuen Herausforderungen im Alltag mit dem Kind zu meistern. Hier wäre es gut, einen Facharzt für Psychiatrie zu finden, der in der Behandlung von frisch entbundenen Müttern Erfahrung hat. Einige Ärzte bieten Spezialsprechstunden für junge Mütter mit postpartalen Depressionen an.

Ziel einer psychotherapeutischen Behandlung ist die Bewältigung der Depression und eventueller weiterer Symptome wie Ängste oder Zwänge. Hier können auch die Partner der Patientinnen eingebunden werden. Gefördert wird die Einstellung auf die neuen Herausforderungen eines Lebens mit Kind, die Etablierung einer guten Mutter-Kind-Beziehung und die Einbindung in ein stützendes soziales Netzwerk.

Neben Ärzten und Therapeuten sind auch Hebammen eine gute Anlaufstelle, sowie Sozialarbeiter oder andere Betreuungsdienste. In vielen Städten gibt es spezielle Angebote für Mütter mit psychischer Belastung, die auch bei der Vermittlung zu Ärzten oder Therapeuten helfen können, die als Kontakt- und Begegnungsstätte dienen und die auch weitere Hilfsmaßnahmen mit organisieren können (z.B. Haushaltshilfe oder Kinderbetreuung über die Krankenkasse). Auch Babymassagen, Beratung in der Schreisprechstunde, Entspannungskurse oder Mutter-Kind-Kuraufenthalte können maßgeblich zu einer Entlastung beitragen. Zusätzliche Hilfestellungen sind durch Mütter- und Selbsthilfegruppen möglich. Das wichtigste für eine frisch entbundene Mutter ist immer Kontakt, da sich viele Mütter allein gelassen und hilflos fühlen. Viele Mütter suchen sich keine Hilfe aufgrund von Schuldgefühlen oder Scham, viele haben ein Bild von der ,perfekten Mutter‘, dem sie gerecht werden wollen und das sie sehr unter Druck setzt. Hier ist noch sehr viel Aufklärung über das Erkrankungsbild nötig, um in der Bevölkerung zu verdeutlichen, dass perinatale psychische Beschwerden behandelbare Erkrankungen sind, kein Zeichen für persönliches Versagen der Mutter und auch kein Zeichen dafür, dass sie eine ,schlechte Mutter‘ ist. Im Interesse von Mutter und Kind sollte unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. Eine gute Übersicht bietet der Verein „Schatten und Licht e.V.“. Hier findet sich eine nach Region geordnete und fortlaufend aktualisierte Liste mit Anlaufstellen.“

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