Wenn Eltern Hindernisse niedermähen
Man darf die Fantasie von Erziehungsexperten wirklich bewundern. Gerade noch schwebte der Begriff der Helikopter-Eltern knatternd über den Köpfen der zerknirschten Erziehungsberechtigten, und schon nähert sich die nächste dröhnende Wortschöpfung: die Rasenmäher-Eltern. Was steckt hinter dem Begriff und wie wirkt sich die Erziehungsmethode auf die lieben Kleinen aus?
Was sind Rasenmäher-Eltern?
Betrachten wir zuallererst einmal die positive Seite: Ein Rasenmäher ist verglichen mit einem Helikopter geradezu dezent leise und verbraucht deutlich weniger Treibstoff. Na gut, so richtig beruhigend ist der Befund nicht. Schließlich kann auch ein Rasenmäher ziemlich nerven, vor allem dort, wo er eigentlich nichts verloren hat. Zum Beispiel auf dem Spielplatz, wo er wie wild allerlei Frust erzeugende Hindernisse einen Halm kürzer macht. Mindestens.
Die Rede ist von Eltern, die voller Sorge und Liebe all die Hindernisse niedermähen, die auf der Lebenswiese ihrer Sprösslinge liegen, auf dass dem Kinde kein Leid und kein Gefühl des Frustes widerfahre. Klingt doch ganz nett und harmlos, oder? Das Leben wird eh schwer genug. Weshalb sollen wir es dem Kindlein da nicht leicht machen, indem wir den Streit um das Sandkuchenförmchen schlichten, bevor er beginnt und den Sandkuchen zur Sicherheit gleich selbst formen?
Darum müssen Kinder stolpern lernen
„Weil Kinder auch und gerade aus Misserfolgen und Konflikten lernen“ weiß DAK-Psychologin Franziska Kath (Foto) die Antwort. „Wenn wir sie vor diesen wichtigen Erfahrungen abschirmen, fehlt ihnen später die Fähigkeit, angemessen mit dem eigenen Scheitern umzugehen.“
Sprich: Der leichteste Weg ist nicht der beste. Vor allem, wenn aus dem Kind einmal ein selbstbewusster Erwachsener werden soll, der bei Rückschlägen nicht gleich frustriert das Handtuch wirft.
Franziska Kath erklärt: „Wer als Kind nie stolpert, weil die Eltern alle potenziellen Hindernisse entfernen, der wird sich später als Erwachsener schwerer mit dem Aufstehen tun, wenn er hingefallen ist.“
Landen die Kinder von Rasenmäher-Eltern als Erwachsene also alle beim Psychologen?
Diese These wäre sicher zu pauschal. Wahr ist allerdings, dass gesunde Bewältigungsmechanismen am besten im Kindesalter eingeübt werden. Wer dagegen als Kind permanent vor dem Scheitern bewahrt wurde, kann später anfälliger für ungesunde Bewältigungsmechanismen wie Sucht und Schuldzuweisungen sein. Auch die Fähigkeit, Probleme selbständig zu lösen und eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, kann zu kurz kommen, wenn die Eltern es mit der Fürsorge übertreiben.
DAK-PODCAST: GANZ SCHÖN KRANK, LEUTE!
In unserer Podcast-Reihe spricht Moderator René Träder (Foto) mit spannenden Menschen über ihre persönlichen Erfolge und Misserfolge und fragt, was sie antreibt und was sie aus Rückschlägen gelernt haben. Jetzt reinhören! https://gesundes-miteinander.de/podcast/
Keine Angst vor dem Scheitern
Spätestens in der Schule, wo keine Eltern in Reichweite sind, kann das zur Belastungsprobe werden. Dort müssen Kinder fähig sein, ihre Impulse und Emotionen gerade in stressigen Situationen zu kontrollieren. Sonst stören sie mit höherer Wahrscheinlichkeit den Unterricht, finden schwieriger Freunde und entwickeln eine stark ausgeprägte Angst vor dem Scheitern. Zu diesem Ergebnis kamen universitäre Langzeitstudien über die Auswirkungen eines überfürsorglichen Erziehungsstils.
Doch wo endet eigentlich der natürliche Wunsch, sein Kind zu behüten und wo beginnt Überfürsorglichkeit?
Kinder brauchen weder Helikopter und noch Rasenmäher
Eine allgemeingültige Grenze kann und will auch DAK-Expertin Franziska Kath nicht ziehen. Doch sie gibt zu bedenken: „Viele Eltern wuchsen selbst als Kinder von Helikopter-Eltern auf und haben gelernt, sich als Partner und Freund ihres Kindes zu verstehen. Das ist gut gemeint. Doch dadurch werden sie oft zu Trainern ihrer Kinder, mischen sich in deren Leben ein, üben unbewusst einen hohen Druck auf sie aus und verhindern letztlich, dass ihre Kinder lernen, selbstbewusst auf eigenen Beinen zu stehen.“ Doch genau das sei es, worauf Eltern ihre Kinder vorbereiten müssen. „Laufen können sie dann ganz von selbst. Dafür braucht es keinen Helikopter und auch keinen Rasenmäher.“
5 Tipps für Rasenmäher-Eltern
Die gute Nachricht: Rasenmäher-Eltern zu sein ist kein unabwendbares Schicksal. Denn es ist nie zu spät, sich zu ändern. Hierzu fünf hilfreiche Tipps von Franziska Kath.
- Lassen Sie ihre Kinder Fehler machen – dadurch lernen sie fürs Leben.
- Spielen Sie bei Streitigkeiten zwischen Kindern nicht den Schiedsrichter. Die meisten Konflikte können Kinder untereinander lösen.
- Überlegen Sie hin und wieder selbstkritisch, ob Sie ihrem Kind im Alltag genug Freiraum lassen.
- Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass Sie ihm vertrauen.
- Übertragen Sie nicht Ihre eigenen Ängste vor Ausgrenzung und Scheitern auf Ihr Kind.
Wenn Sie sich bei der Erziehung Ihres Kindes unsicher fühlen und sich Hilfe wünschen, können Sie sich an verschiedene kostenfreie Beratungs- und Betreuungsstellen wenden. Sämtliche Wohlfahrtsverbände wie das Deutsche Rote Kreuz, Caritas, Arbeiterwohlfahrt oder Pro Familia verfügen über viel Erfahrung und verständnisvolle Mitarbeiter, die ihnen mit Rat und Kontaktadressen qualifizierter Therapeuten zur Seite stehen.