Eifersucht unter Geschwistern
Kathi kreischt, wenn Baby Max mit Mutti kuschelt. Stefan beginnt zu stottern, wenn Schwester Antonia für ihr Flötenspiel gelobt wird. Jan beißt Fridolin in den Arm, weil der mehr Zeit mit Papa verbringen darf.
Das sind alltägliche Szenerien von Eifersucht unter Geschwistern. Es stellt sich die Frage: Mögen die Kinder sich nicht? DAK-Psychologin Franziska Kath weiß: „Im Grunde schon. Kinder haben lediglich Angst, von den Eltern vernachlässigt zu werden. Und dieses Gefühl der Benachteiligung äußert sich oft in Neid und Eifersucht.“ Doch was genau versteht man unter kindlicher Eifersucht? Wie entsteht sie, wie äußert sie sich und wie kannst du ihr als Elternteil beikommen?
Das kindliche Gefühlschaos
„Eifersucht ist ein emotionaler Schmerz, der entsteht, wenn jemand anderes als wir selbst die herbeigesehnte Anerkennung, Aufmerksamkeit und Liebe erhält“, erklärt Psychologin Kath. Dieses Gefühl, das sich aus verschiedenen Emotionen wie Scham, Hilflosigkeit, Wut oder einem geringen Selbstwert zusammensetzt, kann laut Experten bei Kindern in seiner Komplexität bereits ab ca. 6 Monaten so empfunden werden.
„Das eifersüchtige Kind nimmt beispielsweise an, dass sein Geschwisterchen wertvoller oder liebenswerter ist, als es selbst. Es fühlt sich häufig ungerecht behandelt und glaubt, sein Geschwister wird bevorzugt.“ Aber wie erkennst du als Elternteil, was für Gefühle da im Inneren deines Kindes brodeln?
Die Anzeichen von Eifersucht
In erster Linie ist mit ungewöhnlich starken Reaktionen und Gefühlsausbrüchen zu rechnen, sobald das Geschwisterkind involviert ist. „Wenn das Baby auf Mamas Schoß sitzt, kann das schon mal zu großem Gezeter führen“, weiß die Psychologin. „Es kann aber auch zu Tränen und Aggressionen kommen – gegen Eltern und Geschwister.“ Andere Kinder gehen eher passiv mit ihrem Gefühlschaos um: Sie werden still und traurig und ziehen sich zurück. Wieder andere zeigen sich betont uninteressiert oder reagieren gar psychosomatisch, indem sie stottern oder im Bett einnässen.
So vielfältig sich kindliche Eifersucht äußern kann, so vielfältig sind indes auch die Tricks und Methoden, die du anwenden kannst, um die Eifersucht nicht Überhand nehmen zu lassen. Und zwar schon pränatal: Wenn dein Baby noch im Bauch ist, kannst du dein erstes Kind schon mal auf sein Geschwisterchen vorbereiten.
Kind auf die neue Situation vorbereiten
DAK-Psychologin Franziska Kath rät: „Freust du dich auf das zweite Kind, vermittele diese Freude deinem ersten Kind. Insgesamt ist es hilfreich, wenn du bei deinem ersten Kind die Bindung zum kommenden Nachwuchs erhöhst. So etwa, indem du es deinen Bauch streicheln lässt oder abends gemeinsam mit ihm dem Baby ein Gutenachtlied singst.“ Sobald das Geschwisterchen dann auf der Welt ist, kann es ihm vorsingen und andere unterstützende Aufgaben übernehmen. So identifiziert es sich als großes Geschwister und nimmt somit eine Perspektive ein, in der Eifersucht tendenziell eine eher untergeordnete Rolle spielt.“
Zudem ist es hilfreich, keine falschen Erwartungen zu vermitteln. So wird dein zweites Baby deinem ersten Kind nicht auf Anhieb ein ausgewachsener Spielkamerad sein. Erkläre ihm also, dass es eben noch ein Baby ist und daher erst einmal ganz viel Hilfe braucht. Unter Umständen versteht das große Geschwisterchen dann auch, warum Mama dem kleinen erst mal etwas mehr Zeit widmen muss. Aber es gibt noch einige Methoden mehr, den geschwisterlichen Frieden zu erhalten.
Tipps gegen geschwisterliche Eifersucht
- Vermeide Vergleiche
Sprüche wie „deine Schwester schreit viel weniger als du damals“ oder „dein Bruder kann das besser“ schüren die Eifersucht und rufen unter Umständen Minderwertigkeitskomplexe hervor. - Fördere individuelle Stärken
Fördere deine Kinder gemäß ihrer individuellen Stärken. Auf diese Weise fühlt sich jedes Kind einzigartig und von dir gesehen. Zudem entwickelt es ein gesundes Selbstbewusstsein. - Genauso viel Zeit für alle Kinder
Der „Zeitneid“ hält Einzug, wenn du deine Zeit nicht fair unter deinen Kindern aufteilst. Wenn du als Mama naturgemäß erst einmal verstärkt für das Baby da bist, kann etwa der Vater mehr Zeit mit dem großen Geschwisterchen verbringen. - Sei transparent
Wenn Kinder meinen, benachteiligt zu werden, beziehen sie die Dinge oft auf sich selbst – sofern die nötige Erklärung für dieses und jenes elterliche Verhalten ausbleibt. Erkläre also immer klar und transparent, warum du beispielsweise gerade zu Gunsten des Geschwisterchens handelst. - Stelle Gemeinsamkeiten heraus
Bei starker Bindung zwischen Geschwistern rückt die Eifersucht automatisch in den Hintergrund. Schau, welche gemeinsamen Interessen und Neigungen deine Kinder haben und, ob sie diesen auch gemeinsam nachgehen können. - Lobe gemeinsam
Wenn du das eine Kind für sein tolles Klavierständchen lobst, lobe auch das andere – dass es beispielsweise so aufmerksam zugehört hat. Wenn deine Kinder zudem gemeinsamen Aktivitäten nachgehen, lobe sie, wie schön sie zusammen gespielt oder miteinander aufgeräumt haben. - Schaffe Identifikation
Wer ist nicht gern der große Bruder oder die große Schwester? Solche Rollenbilder schaffen Identifikation, steigern das Selbstwertgefühl und damit ganz automatisch die Bindung zum Geschwisterchen.
Generell gilt: Wertschätzung ist alles. Wenn es dir gelingt, jedes einzelne deiner Kinder für seine Stärken anzuerkennen, authentisch zu loben und ein Gefühl von Gemeinschaft und Zusammenhalt heraufzubeschwören, dann sollte geschwisterliche Eifersucht ziemlich schnell in den Hintergrund geraten.
Franziska Kath
Diplom-Psychologin bei der DAK-Gesundheit