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ISG-Syndrom: Wenn plötzlich nichts mehr geht

Junge Frau sitzt auf der Bettkante und fasst sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Rücken.

Schmerzen im unteren Rücken sind oft dumpf, tiefsitzend und meist unerträglich. Die Ursachen können vielfältig sein, doch in vielen Fällen steckt das Iliosakralgelenk hinter den heftigen Beschwerden. Es kann durch eine falsche Bewegung, ein muskuläres Ungleichgewicht oder chronische Krankheiten in seiner Funktion gestört werden.

Iliosakralgelenk: Wo sitzt es und was tut es?

Das Iliosakralgelenk (ISG) verbindet den unteren Teil der Wirbelsäule (das Kreuzbein) mit der Beckenschaufel auf der linken und rechten Seite (Darmbein) im Becken. Es besteht also aus zwei Gelenken und wird auch als Darm-Kreuzbein-Gelenk bezeichnet. Da das Gelenk von starken Muskeln und Bändern umzogen wird, ist es ein sehr straffes und stabiles Gelenk mit sehr wenig Bewegungsspielraum. Seine Beweglichkeit ist auf wenige Zentimeter und Grad begrenzt.

Die wichtigste Funktion des Iliosakralgelenks ist die Kraftübertragung von der Wirbelsäule auf das Becken beziehungsweise vom Rumpf auf die Beine und andersherum. Es dämpft die Bewegungen und verteilt die Kräfte zwischen der unteren und oberen Extremität. Doch schon kleinste Funktionsstörungen können dazu führen, dass die Gelenkflächen aufeinander reiben und sich dadurch verkanten.

Blockade oder Verschleiß: Das sind die Ursachen für ISG-Schmerzen

Ist das Gelenk blockiert oder verkantet, spricht man von einer ISG-Blockade beziehungsweise einem ISG-Syndrom. In diesem Fall funktioniert die Kraftübertragung nicht mehr richtig und verursacht starke Schmerzen. „Zunächst einmal müssen wir bei einem ISG-Syndrom zwischen jungen und älteren Patienten unterscheiden“, berichtet Dr. Marcel Prymka, Chefarzt der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie des Krankenhauses St. Josef in Wuppertal. „Denn während bei jungen Menschen das Gelenk in den meisten Fällen gesund und lediglich blockiert ist, liegt bei Älteren häufiger ein Verschleiß als Ursache vor.“

Plötzlich verkantet: Risikofaktoren für eine Blockade des Iliosakralgelenks

Eine Blockade entsteht meist aus dem Nichts – häufig durch eine falsche und ruckartige Bewegung. Aber auch schweres Heben oder langes Sitzen können das Gelenk blockieren. Besonders Sitzen ist auf Dauer ein großes Problem, denn im Laufe der Zeit verkürzen die Muskeln im Gesäß, in der Leiste und in den Beinen. Die Folge: Im Gewebe, welches das ISG umgibt, kommt es zu ungleichen Spannungen. Dadurch verspannt die Muskulatur und die Bänder sind einer höheren Belastung ausgesetzt. Wird zusätzlich ein Nerv eingeklemmt, spüren Sie einseitig starke Schmerzen. Und auch durch ungewohnte Tätigkeiten wie Gartenarbeit, eine plötzliche Krafteinwirkung bei einem Unfall oder beim Sport kann sich das Gelenk verkanten.

Überhaupt ist das Iliosakralgelenk ständigen Zug- und Druckbewegungen ausgesetzt und dadurch anfällig für eine Blockade. Häufig geht diese mit einer Entzündungsreaktion einher, die die Schmerzen zusätzlich begünstigt.

ISG-Probleme in der Schwangerschaft 

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Als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sieht Dr. Prymka auch immer wieder Schwangere, die Beschwerden im Iliosakralgelenk entwickeln. „Probleme mit dem ISG sind in der Schwangerschaft sehr häufig“, fasst der Mediziner zusammen. Das verwundert nicht, denn schließlich lockert sich in der Schwangerschaft hormonbedingt das Bindegewebe. Damit bereitet sich der Körper auf die bevorstehende Geburt vor. Die Bänder werden lockerer, das Iliosakralgelenk beweglicher, aber eben auch instabiler. Und auch die Lage und das Gewicht des Kindes belasten das ISG mit fortschreitender Schwangerschaft. Bei vielen Schwangeren entwickelt sich zudem ein Hohlkreuz, welches das ISG zusätzlich überlastet.  

Häufige Auslöser im Alter: Rheuma und Arthrose

Weitere Ursachen, die eine ISG-Blockade auslösen können, sind anatomische Besonderheiten wie unterschiedlich lange Beine oder auch Fehlhaltungen der Wirbelsäule. Zu den Risikofaktoren zählen auch rheumatische Erkrankungen, wie der Morbus Bechterew. Mit zunehmendem Alter ist ein Verschleiß (Arthrose) die Hauptursache für ISG-Beschwerden. Bei einer ISG-Arthrose ist der Knorpel geschädigt und die Gelenkflächen liegen enger aufeinander. Das führt zu Schmerzen und einem instabilen Gefühl. 

Beim Morbus Bechterew, einer chronisch entzündlichen rheumatischen Erkrankung, zeigt sich sogar oftmals als erstes Symptom eine Entzündung des Gelenks, die zu tiefsitzenden Schmerzen führt. Sind bei Ihnen in der Familie rheumatische Erkrankungen bekannt, sollte bei ISG-Schmerzen ein Morbus Bechterew unbedingt abgeklärt werden.

Symptome: Das unterscheidet eine ISG-Blockade von einer Ischialgie

Doch wie erkennt man ein ISG-Syndrom? Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, eine ISG-Blockade von einer Ischialgie, also Ischiasschmerzen, zu unterscheiden. Bedeutend für die richtige Diagnose ist die Ausstrahlung des Schmerzes: Beim ISG-Syndrom geht der tiefsitzende, heftige Schmerz von der linken oder rechten Pobacke über den hinteren, äußeren Oberschenkel meist nicht tiefer als bis zum Knie. Ist dagegen der Ischiasnerv eingeklemmt, strahlt der Schmerz häufig weiter über die Wade, die Außenseite des Fußes bis zu den Zehen. 

Außerdem unterscheiden sich die Beschwerden beim Sitzen und unter Belastung. „Während sich eine Ischialgie in Ruhe, beim Sitzen und beim nach vorne Beugen bessert, verschlechtert sich das ISG-Syndrom beim längeren Sitzen oder Ruhen häufig“, erklärt Dr. Prymka. „Unter Belastung verhält es sich genau andersherum.“ Und noch ein Kriterium hilft, zwischen einem ISG-Syndrom und einer Ischialgie zu unterscheiden: Kommt es zu Nervenschäden wie Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen, kann ein ISG-Syndrom nahezu ausgeschlossen werden.

Das hilft: Bewegung, Wärme und Dehnübungen

Um die starken Schmerzen zu lindern, hilft laut Dr. Prymka „alles, was guttut“: Eine warme Dusche beispielsweise regt die Durchblutung in der Muskulatur an und sorgt für Wohlbefinden. Ganz wichtig sei es, das Iliosakralgelenk unter der warmen Dusche durch Bewegung zu mobilisieren und die Blockade schließlich aufzulockern. Von einem warmen Bad in einer engen Wanne rät der Orthopäde dagegen ab – zu groß sei die Gefahr, dass die Schmerzen durch das unbewegliche Sitzen stärker werden. Wohltuend sei auch das Rollen über einen Tennisball, der die verkrampften Muskeln oder das Gelenk durch ausreichend Druck lockert.

Für eine entspannte Nacht: Die richtige Schlafposition wählen

Besonders problematisch kann es auch sein, mit einer akuten ISG-Blockade eine angenehme Schlafposition zu finden. Vermutlich werden Sie sich erst gar nicht in jede Position drehen können. Legen Sie sich daher direkt auf den Rücken, denn hier nimmt die Wirbelsäule ihre natürlichen Krümmungen an und wird am besten entlastet. In der Schwangerschaft gilt diese Regel jedoch nicht. Hier ist das Schlafen auf der linken Seite die beste Position, da so die Wirbelsäule entlastet wird und die Organe optimal mit Blut versorgt werden.

Schmerzen vorbeugen: Kraft und Koordination trainieren

Core-Training

Übungen für eine stabile Körpermitte.

Eine ISG-Blockade kann im Grunde jeden erwischen – egal, ob Jung oder Alt, durchtrainiert oder unfit. Dennoch gibt Dr. Prymka zu bedenken: „Es kann leichter passieren, wenn Sie nicht genug Muskeln aufbauen.“ Er empfiehlt deshalb, Krafttraining mit Koordinationstraining zu kombinieren, um das Risiko für ein ISG-Syndrom zu senken. Während beim Krafttraining die verschiedenen Muskeln gestärkt werden, wird die Statik der Wirbelsäule durch das Koordinationstraining im Lot gehalten. „Das ist im Grunde alles, was jeder von uns tun kann“, berichtet Dr. Prymka.

Ärztliche Hilfe: Rezept für Manuelle Therapie oder Physiotherapie

Ob und wann ein Arztbesuch nötig ist, ist eine Frage des individuellen Aushaltens. Für eine erste Linderung können Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen eingenommen werden. Häufig können Sie die Blockade durch einfache Dehnübungen auch selbst behandeln (siehe Kasten). Halten sich die Schmerzen jedoch trotz Wärme, leichter Bewegung und erfolgten Übungen ein paar Tage oder werden sogar schlimmer, sollte Sie die Ursache ärztlich abklären lassen.

Stellen die Fachleute eine Blockade des Iliosakralgelenks fest, verschreiben sie häufig Manuelle Therapie oder Physiotherapie. Während bei der Manuellen Therapie versucht wird, die Störungen im Bewegungsapparat mit den Händen zu ertasten und durch manuelle Mobilisationstechniken zu lösen, bindet die Physiotherapie die Patientin oder den Patienten aktiv mit ein. Gezielte Übungen sollen die Muskulatur stärken und die Beweglichkeit verbessern, um schließlich die Schmerzen zu lindern.

ISG-Blockade selbst lösen: Übungen für zuhause

Übung 1: Mobilisationsübung im Liegen

  • Legen Sie sich mit Po und Rücken auf einen Tisch, die Beine hängen zunächst vorne über.
  • Legen Sie nun einen Fuß auf einem Stuhl ab, das Bein ist gestreckt. 
  • Greifen Sie das Knie des anderen Beines mit den Händen, ziehen das Bein langsam Richtung Brust und wieder ein Stück zurück.
  • Diese Bewegung führen Sie in einem gemütlichen Tempo 10- bis 15-Mal auf jeder Seite durch.

Übung 2: Dehnübung der Gesäßmuskulatur

  • Setzen Sie sich mit geradem Rücken auf einen Stuhl. Bei Beschwerden auf der linken Seite strecken Sie das rechte Bein aus und stellen die Ferse auf den Boden. Sind die Beschwerden rechts, wird das linke Bein gestreckt. 
  • Nun legen Sie den linken Fuß locker auf den rechten Unterschenkel beziehungsweise seitenverkehrt – das Knie ist leicht gebeugt. Macht sich in dieser Position bereits ein Schmerz bemerkbar, bleiben Sie hier für einige Sekunden sitzen und lösen die Übungen anschließend langsam auf.
  • Fühlt sich die Übung angenehm an, bringen Sie den Fuß näher an das Knie heran oder legen Sie es darauf ab. Achten Sie dabei genau auf die Symptome Ihres Körpers! 
  • Beugen Sie nun das gestreckte rechte Knie leicht an und spüren Sie die Dehnung in der linken Gesäßhälfte. Der Rücken bleibt dabei gerade. Wenn Sie das schaffen, können Sie das rechte Bein bis zum 90-Grad-Winkel beugen, der Fuß liegt weiter auf dem Knie auf. 
  • Greifen Sie mit der linken Hand das linke Knie und mit der rechten Hand den linken Knöchel.
  • Beugen Sie den gestreckten Oberkörper langsam nach vorne. Halten Sie diese Dehnung für 30 Sekunden.

Übung 3: Lockerung des Beckens

  • Stellen Sie sich mit einem Bein auf eine Treppenstufe und winkeln das Knie leicht an. Das andere Bein hängt seitlich.
  • Nun pendeln Sie mit dem Bein 10- bis 15-Mal hin und her. 
  • Wiederholen Sie die Übung mit dem anderen Bein.
Autor(in)

Freie Redakteurin

Qualitätssicherung

Matthias Lamberts

Arzt bei der DAK-Gesundheit

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