Kinderwunsch und Sport
Kann zu viel Sport der Fruchtbarkeit schaden? Laut einer Studie der Norwegian University of Science and Technology in Trondheim haben sportlich sehr aktive Frauen ein mehr als 3-mal so hohes Risiko, unfruchtbar zu werden, als solche, die moderat trainieren.
Kann zu viel Sport tatsächlich dazu führen, dass der Kinderwunsch unerfüllt bleibt?
Dr. Wilkening: "Wie bei allem ist auch beim Thema Sport das richtige Maß wichtig. Frauen, die sehr intensiv trainieren, laufen Gefahr, dass sie untergewichtig werden. Neben dem Gewicht beziehungsweise dem BMI ist in diesem Zusammenhang vor allem der Körperfettanteil entscheidend. Spätestens wenn dieser unter 17% sinkt, stellt sich der Körper sozusagen auf Notstrom um. Das bedeutet, dass er jetzt jegliche Energie für den Selbsterhalt braucht. Prozesse wie die Fortpflanzung würden genau das Gegenteil bewirken, nämlich noch eine Abgabe von Nährstoffen und Energie an den wachsenden Embryo. Zum Selbstschutz und Selbsterhalt werden daher die Hormone, die den weiblichen Zyklus und den Eisprung regulieren, heruntergefahren. Der Zyklus wird unregelmäßig und kann ganz ausbleiben, wodurch eine Schwangerschaft erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird. Bei welchem BMI oder Körperfettanteil die Grenze liegt, ist individuell unterschiedlich. Auch die Dauer dieses Zustandes kann variieren und im schlimmsten Fall irreversibel sein. "
Inwiefern beeinflusst Sport die Fruchtbarkeit? Welche Faktoren spielen eine Rolle?
Dr. Wilkening: "Sport kann die Fruchtbarkeit im positiven, aber auch im negativen Sinne beeinflussen: Beim Sport wird Energie verbraucht, Fett ab- und Muskeln aufgebaut. Dies wirkt sich positiv aus auf die Reduktion von Übergewicht. Der Insulinspiegel sinkt, die männlichen Hormone – die auch jede Frau hat – ebenfalls. Hormonelle Dysbalancen können wieder ins Gleichgewicht kommen und damit den Schwangerschaftseintritt erleichtern.
Andererseits kann übertriebener (Hochleistungs-) Sport, vor allem in Kombination mit einer schnellen und starken Gewichtsabnahme, zur Störung der Hormonsekretion in der Hirnanhangsdrüse führen. Die macht sich in leichteren Fällen bemerkbar als Follikelreifungsstörung mit nachfolgend verkürzter zweiter Zyklushälfte und einer sogenannten Gelbkörperschwäche. In extremeren Fällen kann – wie zuvor beschrieben – der Zyklus ganz ausbleiben."
Wie steht es um Sport bei übergewichtigen Frauen? Welche Rolle spielt das Gewicht beim Kinderwunsch?
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Dr. Wilkening: "Durch Übergewicht kann es zur Veränderung der Hormonbalance kommen. Übergewichtige Frauen haben gehäuft Zyklusstörungen auf der Basis eines gestörten Insulinstoffwechsels mit nachfolgender Erhöhung der männlichen Hormone. Diese können von verlängerten Zyklen bis zum Ausbleiben der Blutung reichen. Bereits eine Gewichtsabnahme von fünf bis zehn Prozent des Ausgangsgewichts kann zur Verbesserung der hormonellen Ausgangssituation und Zyklusregulation führen und damit die Chance erhöhen, schwanger zu werden.
Ein mindestens ebenso wichtiger Aspekt ist, dass Übergewicht sowie eine starke Gewichtszunahme innerhalb der Schwangerschaft mit einem signifikant erhöhten Risiko für spätere Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen wie etwa Diabetes, erhöhter Blutdruck oder kindlichem Übergewicht einhergehen. Eine Annäherung an das Normalgewicht kann also sowohl den Schwangerschaftseintritt erleichtern als auch das Outcome verbessern. Insofern überwiegen die positiven Effekte einer Gewichtsabnahme bei übergewichtigen Frauen."
Kann bestimmte sportliche Betätigung vielleicht sogar die Fruchtbarkeit fördern?
Dr. Wilkening: "Im Grunde ist jeder Sport besser als keiner. Bei Frauen ohne Fruchtbarkeitsprobleme kann regelmäßige sportliche Betätigung die allgemeine Gesundheit verbessern und Schwangerschaftsrisiken reduzieren. Bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch hängt es sehr von der Ursache ab. Natürlich können Probleme wie ein Eileiterverschluss nicht durch Sport behoben werden. Bei Untergewicht kann massive sportliche Betätigung sogar das Problem verschärfen. Wie bereits beschrieben können jedoch übergewichtige und adipöse Frauen von regelmäßiger sportlicher Betätigung profitieren. Studien haben ergeben, dass bei regelmäßigem körperlichem Training, gegebenenfalls in Kombination mit einer Reduktionsdiät, die Zyklusregelmäßigkeit, Eisprungs- und die Schwangerschaftsrate signifikant gesteigert werden kann."
Welche Sportarten und welches Maß an Bewegung empfiehlt sich?
Dr. Wilkening: "Trainierte Frauen können jede Sportart bis zum Eintreten einer Schwangerschaft fortsetzen. Frauen, die bisher keinen Sport betrieben haben, sollten langsam beginnen, jedoch regelmäßig trainieren. Die nationalen Bewegungsempfehlungen für Erwachsene lauten mindestens 30 Minuten am Tag an mindestens fünf Tagen in der Woche – das entspricht 150 Minuten Bewegung moderater Intensität pro Woche. Die Trainingsintensität sollte so gewählt werden, dass es etwas anstrengend ist und man leicht ins Schwitzen kommt. Zu empfehlen sind vor allem aerobe Ausdauerbelastungen wie Radfahren, Laufen oder Schwimmen."
Wie steht es bei den Männern? Fördert Sport beim Mann die Fruchtbarkeit?
Dr. Wilkening: "Auch beim Mann sind die Auswirkungen von regelmäßiger sportlicher Betätigung auf vielerlei Ebenen erkennbar. Übergewichtige Männer haben häufiger reduzierte Testosteron- und erhöhte Östrogenwerte, was sich negativ auf die Spermienproduktion auswirken kann. Regelmäßiges körperliches Training verhindert beziehungsweise reduziert Übergewicht. Außerdem wirkt sich Sport positiv auf das Herz-Kreislaufsystem aus und kann Durchblutung und Wohlbefinden steigern. Es gibt jedoch auch Hinweise, dass übertriebenes Training das sensible Gleichgewicht zwischen Gehirn, Hirnanhangsdrüse und Hoden stören und somit das Gegenteil bewirken kann.
Unter gar keinen Umständen sollten Männer zu Testosteronpräparaten wie Anabolika greifen, die den Muskelaufbau fördern sollen. Auch wenn die Spermienbildung von Testosteron abhängig ist: Zugeführte Präparate können, abhängig von der Dauer und der Dosis, zu Erektionsstörungen, zu Libido-Mangel und auch zur vollständigen Unterdrückung der Spermienbildung mit nachfolgender Unfruchtbarkeit führen."
Haben Sie Tipps, wie Frau auf gesundem Weg die eigene Fruchtbarkeit steigern kann?
Dr. Wilkening: "So banal das klingt: Ein wesentlicher Beitrag zum Eintritt einer unkomplizierten Schwangerschaft ist ein gesunder Lebensstil. Das bedeutet eine möglichst ausgewogene, vollwertige Ernährung, ausreichend Bewegung mit Gewichtsnormalisierung und wenig Stress. Bereits vor der Konzeption kann mit der Einnahme von Folsäure begonnen werden. Bei Frauen ohne Schilddrüsenprobleme ist außerdem die Substitution von Jod empfehlenswert. Frauen sollten ihren Impfstatus vor der Schwangerschaft überprüfen und eventuell Impfungen auffrischen lassen. Rauchen ist nicht nur schädlich in der Schwangerschaft, sondern reduziert auch die Wahrscheinlichkeit eines Schwangerschaftseintritts. Auch Alkohol kann bereits in der Frühschwangerschaft negative Effekte auf den Embryo haben. Daher wird empfohlen, schon bei Planung einer Schwangerschaft auf Zigaretten und Alkohol zu verzichten."