Immer mehr Saarländer mit Rückenschmerzen in Klinik
26. April 2018. Rätsel Rücken: Trotz Prävention und zahlreicher Gesundheitskurse leiden im Saarland rund 360.000 Erwerbstätige unter Rückenschmerzen. Immer mehr gehen mit ihren Beschwerden direkt ins Krankenhaus. Seit dem Jahr 2007 stieg die Zahl der stationären Behandlungen im Saarland um fast ein Viertel. Über die Hälfte der Patienten ließ sich als Notfall aufnehmen. Das zeigt der aktuelle DAK-Gesundheitsreport „Rätsel Rücken – warum leiden so viele Saarländer unter Schmerzen?“. Nach der Umfrage hatten 75 Prozent aller Beschäftigten im vergangenen Jahr Rückenschmerzen. Drei von zehn haben aktuell Beschwerden.
Laut DAK-Gesundheitsreport 2018 sind Rückenschmerzen im Saarland die wichtigste Diagnose für den Krankenstand. Hochgerechnet auf alle Erwerbstätigen im Land kamen 2017 mehr als 445.000 Ausfalltage wegen Rückenschmerzen zusammen. Nach der Umfrage im Rahmen des Reports leidet jeder Siebte (14 Prozent) sogar chronisch. Konkret heißt das: Rund 67.000 Patienten im Erwerbsalter im Saarland haben drei Monate oder länger Schmerzen im Kreuz. „Das gesundheitspolitische Ziel, das Problem Rücken in den Griff zu bekommen, wurde nach den Ergebnissen unserer Studie nicht erreicht“, sagt Jürgen Günther, Leiter der DAK-Landesvertretung Saarland. „Die Untersuchung sollte deshalb zum Anlass genommen werden, die Angebote in den Bereichen Prävention und Versorgung im Saarland auf den Prüfstand zu stellen.“
Ein Viertel mehr Krankenhausfälle – vor allem Notfälle
Die Problematik spiegelt sich auch in der stationären Behandlung wider: Das Saarland hatte 2016 mehr als 2900 Krankenhausfälle wegen Rückenschmerzen, ein Anstieg um 24 Prozent in den vergangenen neun Jahren. „70 Prozent der Betroffenen, die bei uns in der Klinik Hilfe suchen, leiden unter unspezifischen Rückenschmerzen“, berichtet Prof. Cornelia Cedzich, Chefärztin der neurochirurgischen Klinik der Klinikum Saarbrücken gGmbH. „Hier handelt es sich nicht um Bandscheibenvorfälle oder –abrisse, die operativ behandelt werden können“. Der DAK-Report untersucht erstmals detailliert, wie Rückenschmerzpatienten in die Klinik kommen. Fazit: Gut die Hälfte der Betroffenen wird als Notfall aufgenommen. Im bundesweiten Vergleich liegt die Krankenhausinanspruchnahme der Saarländer bei Rückenschmerzen mit 315 je 100.000 Einwohnern und Jahr über dem Durchschnitt (306). Um den Erwartungen der Betroffenen an die Versorgung aber möglichst gerecht zu werden und gleichzeitig die Notfallambulanzen der Kliniken zu entlasten, sieht der Leiter der DAK-Landesvertretung Portalpraxen wie in Schleswig-Holstein, medizinische Versorgungszentren, teilstationäre Versorgungsangebote und einen verbesserten Terminservice bei den niedergelassenen Ärzten als wichtige Lösungsansätze.
Jeder 20te wegen Rücken krankgeschrieben
Für Krankschreibungen sind Rückenprobleme seit Jahren besonders relevant. Ihr Anteil an den Fehlzeiten in den Betrieben im Saarland verharrt mit elf Prozent auf hohem Niveau. „Trotz eines verstärkten Engagements im Betrieblichen Gesundheitsmanagement gibt es keine signifikante Verbesserung“, betont Günther. Laut DAK-Analyse ist Rückenschmerz die wichtigste Diagnose überhaupt – neben akuten Atemwegsinfektionen. Etwa jeder 20te Beschäftigte war 2017 einmal oder sogar mehrmals wegen Rückenschmerzen krankgeschrieben. „Wir müssen dem Rückenschmerz den Kampf ansagen“, so Günther, „und gemeinsam mit den Unternehmen das individuelle Arbeitsumfeld noch rückenfreundlicher gestalten – auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung.“ In den verschiedenen Altersgruppen zeigen sich durchaus Unterschiede: Während eine Krankschreibung wegen Rückenschmerzen bei jüngeren im Durchschnitt sieben Tage dauert, sind es bei älteren neunzehn Tage.
Risikofaktoren für Rückenschmerzen
Die allermeisten Beschäftigten im Saarland melden sich mit Rückenschmerzen nicht krank. 91 Prozent gehen mit Schmerzen zur Arbeit. Die Wahrscheinlichkeit, sich krankzumelden steigt jedoch mit der Stärke der empfundenen Schmerzen und dem Chronifizierungsgrad. Die wichtigsten Risikofaktoren sind Übergewicht und Bewegungsmangel. „Leider steigt gerade der Anteil junger und sehr junger Patienten mit erheblichen Rückenproblemen“, erklärt Prof. Cedzich die Situation im Saarland. Entscheidend ist auch, ob Beschäftigte häufig in unbequemer Körperhaltung arbeiten müssen, einem hoher Termin- und Leistungsdruck ausgesetzt sind oder ihren Job freudlos erledigen. Übergewicht und Bewegungsmangel sind All diese Faktoren machen – genau wie eine schlechte Work-Life-Balance – eine Krankmeldung wahrscheinlicher.
Knackpunkte Lendenwirbelsäule und Nacken
Der DAK-Report zeigt, unter welchen Beschwerden Betroffene im Saarland konkret leiden: So schmerzt bei 77 Prozent die Lendenwirbelsäule. 42 Prozent haben Probleme mit dem Nacken, 25 Prozent mit der Brustwirbelsäule. Jeder Vierte (26 Prozent) gibt Schmerzen an mehreren Bereichen der Wirbelsäule an. Jeder elfte Rückenschmerz-Geplagte hat dabei starke bis sehr starke Schmerzen.
Mehrheit geht nicht zum Arzt
Die Mehrheit der Saarländer versucht zunächst allein mit den Schmerzen zurechtzukommen. Nur jeder Dritte (32 Prozent) war laut eigenen Angaben im vergangenen Jahr wegen der Rückenbeschwerden beim Arzt. Von ihnen suchten rund 76 Prozent bei einem einzigen Mediziner Hilfe. 19 Prozent konsultierten zwei, vier Prozent drei Ärzte wegen ihrer Beschwerden. Gefragt nach der konkreten Rückenschmerz-Behandlung gaben 69 Prozent der Betroffenen an, eine Physiotherapie bekommen zu haben. 34 Prozent erhielten Schmerzmittel, jeder Vierte bekam eine Spritze (24 Prozent). Bei etwa jedem Fünften (20 Prozent) wurde ein CT oder ein MRT des Rückens gemacht. Der Zusammenhang von Stress und Rückenschmerzen wurde in den Praxen kaum thematisiert (3 Prozent). „Da sich Stress und psychische Belastungen stark auf die Rückengesundheit auswirken können, sollte dieser Aspekt stärker bei Diagnose und Behandlung berücksichtigt werden“, fordert Günther.
Jeder Elfte schont sich
Insgesamt gehen die Saarländer relativ gelassen mit Rückenschmerzen um: 70 Prozent setzen auf Wärme in Form von Heizkissen, Bädern oder Sauna. 42 Prozent bewegen sich, beispielsweise bei einem Spaziergang. Jeder Vierte lebt erstmal normal weiter und rechnet damit, dass die Rückenschmerzen von selbst verschwinden. Das sogenannte Schonen – von Experten ausdrücklich nicht empfohlen, weil es die Schmerzen eher noch verstärkt – praktiziert aktuell noch jeder Elfte.
Als erste Reaktion auf die aktuelle Studie bietet die DAK-Gesundheit ihren Versicherten ab sofort ein neues onlinebasiertes Rücken-Coaching an. Unter dem Titel Rücken@Fit erhalten Betroffene eine verhaltensorientierte individuelle Hilfe bei akuten und chronischen Rückenschmerzen. „Dieses moderne Coaching geht sehr persönlich auf die Rückenprobleme ein“, erläutert Günther. „Rücken@Fit führt den Nutzer in einen Dialog mit einem virtuellen Coach. Statt auf allgemeine Rückenübungen setzen wir auf gezielte Anleitungen und Wissensvermittlung, die genau zur jeweiligen Schmerzart und zur individuellen Lebenssituation passen. Das ist eine Weiterentwicklung der bisher üblichen Rücken-Coachings.“ Auch im Internet finden Schmerzgeplagte viele Infos und praktische Tipps rund um das Thema „Gesunder Rücken“: www.dak.de/ruecken
Anzahl der Fehltage im Saarland insgesamt gestiegen
Der Gesundheitsreport Saarland wertet auch die Fehlzeiten der DAK-versicherten Arbeitnehmer insgesamt aus: Im Durchschnitt hatte 2017 jedes Mitglied im Saarland 17,2 Fehltage. Das waren 0,4 Tage mehr als im Jahr davor. Der größte Anteil entfiel auf Muskel-Skelett-Leiden. Bezogen auf 100 Versicherte verursachten sie 357 Fehltage, sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Auf Platz zwei kamen psychische Erkrankungen wie Depressionen mit 319 Tagen, auf Platz drei die Atemwegserkrankungen mit 235 Tagen, neun Prozent mehr als im Vorjahr. Diese drei Krankheitsarten waren zusammen für mehr als die Hälfte aller Fehltage verantwortlich (53 Prozent). Bei den psychischen Erkrankungen gab es 2017 im Saarland mehr Betroffene als im Vorjahr (plus neun Prozent), aber weniger Fehltage (minus acht Prozent).
Die DAK-Gesundheit ist eine der größten Krankenkassen Deutschlands. Für die Analyse wurden die Daten von rund 31.000 erwerbstätigen Mitgliedern der DAK-Gesundheit im Saarland durch das IGES Institut ausgewertet.
Der aktuelle DAK-Gesundheitsreport Saarland untersucht umfassend die krankheitsbedingten Ausfalltage sowie ambulante und erstmals auch stationäre Behandlungen bei Rückenerkrankungen im Bundesland. Die Analyse der anonymisierten DAK-Daten wird ergänzt durch eine repräsentative Umfrage. Das Forsa-Institut hat dafür vom 7. bis 29. November 2017 bundesweit 5.224 erwerbstätige Frauen und Männer im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt. Zentrale Ergebnisse wurden mit einer DAK-Untersuchung aus dem Jahr 2003 verglichen.
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Daniel Caroppo
Pressesprecher Baden-Württemberg & Saarland
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