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DAK-Pflegereport: Baby-Boomer-Effekte verschärfen die Personalnot in NRW deutlich

Düsseldorf, 11. Oktober 2024. Das Ausscheiden der Baby-Boomer-Generation verschärft die Situation der beruflichen Pflege in Nordrhein-Westfalen massiv. Neben erheblichen Finanzierungslücken in der Pflegeversicherung bedroht die steigende Personalnot zunehmend die Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Das sind Ergebnisse des aktuellen Landespflegereports der DAK-Gesundheit, für den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Thomas Klie vom Institut AGP Sozialforschung die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf das Pflegesystem untersucht haben. Demnach wird die ohnehin dünne Arbeitsmarktreserve in NRW von rund 7.929 Fachkräften (2,8 Prozent) in 2025 auf lediglich 2.785 Fachkräfte (1,0 Prozent) im Jahr 2030 abschmelzen. Folge: Ausscheidendes Personal kann lediglich ersetzt werden. Ein Personal- und Strukturaufbau, um den demografischen Wandel abfedern zu können, ist laut Studie nicht möglich. Laut DAK-Landespflegereport müssen in den nächsten zehn Jahren in NRW 20,4 Prozent vom Pflegepersonal ersetzt werden, das ist weniger als im Bundesdurchschnitt (21,9 Prozent). Die Studie zeigt auch auf, dass die Baby-Boomer nicht nur ein Problem des Pflegesystems sind, sondern auch ein möglicher Teil der Lösung.

„Wir stehen in Nordrhein-Westfalen vor einer Herausforderung beim Personalbedarf an Pflegekräften. Trotz anderslautender Versprechen sehen wir keine Entlastung für die Pflegenden und keine Reserven für den demografischen Wandel“, sagt DAK-Landeschef Klaus Overdiek zu den Reportergebnissen. „Wir brauchen eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung mit Strahlkraft in die Länder, um die Pflege mit neuen Versorgungskonzepten zukunftsfähig zu machen.“ Steigende Kosten, immer mehr Pflegebedürftige und beständig abnehmende Personalressourcen strapazierten das System. Verschärft wird die Personalproblematik durch Effekte der Baby-Boomer-Generation: Mit den nahenden Renteneintritten werde die Zahl der Pflege-Fachkräfte signifikant sinken.

Arbeitsmarktreserve schmilzt auf 1,0 Prozent
Laut DAK-Landespflegereport schmilzt in NRW die Arbeitsmarktreserve in der beruflichen Pflege bis 2030 auf 1,0 Prozent ab. Für 2025 liegt die Prognose bei 2.126 Renteneintritten, denen 10.055 Berufseinsteiger gegenüberstehen – das entspricht einer Arbeitsmarktreserve von 2,8 Prozent. Diese bereits dünne Personaldecke verkleinert sich 2027 auf 1,5 Prozent: Statt einer Reserve von 7.929 Pflegekräften stehen dann rechnerisch lediglich 4.378 Arbeitskräfte zur Verfügung. 2030 geht die Reserve noch einmal massiv auf 2.785 Kräfte zurück, was 1,0 Prozent entspricht. „Wir haben trotz guter Ausbildungszahlen keinen Puffer gegen die berufsdemografischen Dynamiken in der Pflege“, sagt Pflegeexperte und Studienleiter Prof. Thomas Klie. „Ein Ausbau der Personalkapazitäten in der Pflege wird demografiebedingt nicht gelingen. Mithilfe von Wiedereinsteigerprogrammen, Zuwanderung und Qualifizierungsstrategien lassen sie sich bestenfalls stabil halten.“

20,4 Prozent der Pflegekräfte müssen ersetzt werden
2023 gab es über 277.496 professionell Pflegende in NRW. Mehr als 56.500 von ihnen erreichen in den nächsten zehn Jahren das Renteneintrittsalter, das sind 20,4 Prozent. Im Bundesvergleich steht NRW damit zwar gut dar, die Lage ist aber dennoch äußerst angespannt. Denn dieser Ersatzbedarf beschreibt dabei ausschließlich, wie groß die Lücke netto ist. Der tatsächliche Bedarf dürfte vor dem Hintergrund einer kontinuierlich wachsenden Zahl pflegebedürftiger Menschen noch weitaus größer sein. „Wir schätzen, dass in den nächsten 25 Jahren rund 2,3 Millionen Menschen mehr als heute auf pflegerische Unterstützung angewiesen sein werden“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Thomas Klie.

Starke gesundheitliche Belastungen
Hinzukommt eine überdurchschnittlich große gesundheitliche Belastung des Pflegepersonals. Vor allem Erkrankungen des Bewegungsapparates und psychische Belastungen sind ursächlich für durchschnittlich 52 Fehltage von Beschäftigten in Pflegeberufen in NRW in der Altersgruppe ab 58 Jahren. Zum Vergleich: In anderen Berufsgruppen sind es 33 Fehltage (2022). „Die Personalsituation in der Pflege ist auch in NRW alarmierend und wird durch die Renteneintritte der Baby-Boomer vor weitere große Herausforderungen gestellt. Die Zahl der Fachkräfte sinkt rapide und hat schon jetzt regionale Engpässe zur Folge. Mittelfristig wird dieser Mangel so gravierend, dass unser Pflegesystem an seine Belastungsgrenze kommt“, sagt Klaus Overdiek, Leiter der DAK-Landesvertretung in Nordrhein-Westfalen.

Sorgen um finanzielle Absicherung bei Pflegebedürftigkeit
Steigende Kosten belasten das Pflegesystem zusätzlich: Bereits für das vierte Quartal 2024 zeichnen sich laut Berechnungen im DAK-Pflegereport deutliche Finanzierungslücken ab, die voraussichtlich Beitragssatzerhöhungen noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr erforderlich machen. Damit einher geht auch die Frage der finanziellen Absicherung der Menschen. Laut einer repräsentativen Umfrage vom Institut für Demoskopie Allensbach im Rahmen des DAK-Pflegereports gaben 43,4 Prozent der Befragten in NRW an, sich Sorgen zu machen, im Fall der Pflegebedürftigkeit ausreichend finanziell abgesichert zu sein. „Die Sorgen der Menschen in Nordrhein-Westfalen müssen wir ernst nehmen“, sagt Overdiek. „Das von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im vergangenen Jahr abgegebene Versprechen einer zumindest kurzfristigen Stabilisierung der Pflegefinanzen bis zum Ende der laufenden Wahlperiode ist wohl nicht mehr zu halten.“ Er fordert ein Konzept, das den wachsenden Finanzbedarf aufgrund steigender Kosten in der pflegerischen Versorgung langfristig absichert. Dies sei essenziell, um das Pflegesystem zukunftsfähig zu machen.

Baby-Boomer: Problem und Lösung zugleich
Neben Finanzierungskonzepten und einer Investition in Assistenzberufe   werden auch neue Versorgungsformen notwendig sein: „Die Baby-Boomer sind in der Pflegediskussion das Problem und die Lösung zugleich“, sagt Overdiek. Es werde neue Formen gegenseitiger Unterstützung brauchen, um eine solidarische Pflege und Sorge vor Ort sicherzustellen. „Wir als immer älter werdende Gesellschaft benötigen Modelle geteilter Verantwortung‘, die intelligenten Verschränkungen von professioneller Pflege, informeller Sorge und zivilgesellschaftlicher Initiative ermöglichen – wie etwa in ambulant betreuten Wohngemeinschaften praktiziert“, so Overdiek. Erforderlich seien bürokratische Abrüstung, sektoren- und professionsübergreifende Kooperations- und Versorgungsformen sowie Planung auf kommunaler Ebene. „Eine Mixtur aus nachberuflicher Erwerbstätigkeit und bürgerschaftlichem Engagement könnte vor Ort einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Pflegesituation leisten.“ Die Bereitschaft dafür ist vorhanden: Laut Allensbach-Befragung sind in NRW 58 Prozent der über 40-Jährigen bereit, Nachbarn, Freunde und Bekannte bei Pflegebedürftigkeit regelmäßig im Alltag zu unterstützen – im Bund sind es 55 Prozent. Zudem brauche es ein flächendeckendes Angebot von Betreuungs- und hauswirtschaftlichen Unterstützungsformen, um pflegende Angehörige zu stärken.

Die DAK-Gesundheit ist mit gut 5,5 Millionen Versicherten, davon rund ein Million in Nordrhein-Westfalen, die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands. Angebote zum Thema Pflege unter Pflege: Tipps und Leistungen (dak.de)



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(Copyright: GettyImages-892779764/DAK-Gesundheit)

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