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Mehr Mädchen mit Essstörungen im Krankenhaus als vor der Pandemie

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Hannover, 28. August 2023. Kinder und Jugendliche in Niedersachsen sind durch anhaltende Krisen weiter psychisch belastet. Vor allem Mädchen sind betroffen. So wurden 2022 ein Drittel mehr Teenagerinnen zwischen 15 und 17 Jahren mit einer Essstörung in Kliniken versorgt als im Vor-Corona-Jahr 2019. Auch die Behandlungszahlen bei Angststörungen und Depressionen nahmen zu. Das zeigt eine Sonderanalyse zur stationären Behandlung psychischer Erkrankungen im DAK-Kinder- und Jugendreport für Niedersachsen. Mediziner warnen vor langfristigen Folgeerkrankungen und mahnen eine bessere ambulante und stationäre Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit psychiatrischen Problemen an. DAK-Landeschef Dirk Vennekold fordert eine Präventionsoffensive zur Stärkung der psychischen Gesundheit.

Für die aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 75.000 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in Niedersachsen versichert sind. Analysiert wurden Krankenhausdaten aus den Jahren 2018 bis 2022. Es ist die erste umfassende Analyse von Klinikbehandlungen für das vergangene Jahr in Niedersachsen.

„Die massive Zunahme von Essstörungen und Depressionen bei Mädchen ist ein stiller Hilfeschrei, der uns wachrütteln muss“, sagt Dirk Vennekold, Landeschef der DAK-Gesundheit in Niedersachsen. „Wir müssen offen über die Entwicklung sprechen und den Betroffenen und ihren Familien Unterstützung und Hilfe anbieten.“ Die Politik habe mit übergreifenden Fachtagungen bereits wichtige Impulse gesetzt. Die sogenannten „Mental Health Coaches“ an Schulen seien aber nur ein erster Schritt. „In Celle wurden bereits 2021 ‚Mental Health Scouts‘ an Schulen ausgebildet. Dieses Projekt allein ist allerdings nicht ausreichend und wir brauchen sehr kurzfristig eine breite Präventionsoffensive in Schulen, Vereinen und Verbänden in Niedersachsen, um die psychische Gesundheit von Mädchen und Jungen zu stärken“, fordert Vennekold. „Wir dürfen sie und ihre Eltern nicht allein lassen.“

Essstörungen: Steigerung bei jugendlichen Mädchen im Vergleich zu 2019
Hochgerechnet auf alle Jugendlichen in der Altersgruppe 15 bis 17 kamen 2022 in Niedersachsen rund 350 Mädchen mit einer Essstörung ins Krankenhaus. Das entspricht einem Anstieg von 33 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019. Auch bei Angststörungen und Depressionen nahmen die Krankenhausbehandlungen jugendlicher Mädchen zu: So stieg die Zahl der Klinikaufenthalte 2022 im Vergleich zu 2019 bei Angststörungen um sechs Prozent an. Bei Depressionen nahmen die Behandlungszahlen um 15 Prozent zu.

„Leider sehen wir in allen Versorgungsformen eine deutliche Zunahme aller psychiatrischen Erkrankungen. Die Zahl der stationären Behandlungen kann unter Schließungen der Abteilung bei Corona-Lockdown nicht den tatsächlichen Bedarf widerspiegeln. Die Probleme sind deutlich größer“, sagt Dr. med. Thomas Buck, Vorsitzender der Ärztekammer Hannover. „Deshalb fordere ich eine bessere ambulante und stationäre Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit psychiatrischen Problemen in der Fläche. Zeitnah und verlässlich muss die Versorgung erfolgen, sonst drohen langfristige Folgeerkrankungen."

„Die Pandemie hatte paradoxe Auswirkungen“, ergänzt Dr. Eva-Maria Franck, Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hildesheim. „Während der Lockdowns war ein deutlicher Rückgang des Patientinnen- und Patientenaufkommens im stationären Bereich der Klinik zu verzeichnen.  Zwischen und nach Beendigung der Lockdowns wurde dann allerdings die große Not der Kinder und Jugendlichen deutlich. Neben einer Zunahme von Essstörungen konnten wir beobachten, dass die Anzahl der schulvermeidenden Kinder und Jugendlichen, zum Teil infolge allgemeiner und sozialer Ängste, Phobien und Depressionen, sprunghaft anstieg. Unsere Hypothese ist, dass die Lockdowns zu wenig alltagsrelevanten und für die Patientinnen und Patienten belastenden Situationen und Anforderungen führten, weshalb diese unsichtbar blieben.“

Gender Gap: Mädchen leiden besonders
Die DAK-Sonderanalyse zeigt, dass Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren häufiger aufgrund psychischer Erkrankungen in Kliniken sind als Jungen. Drei Beispiele verdeutlichen diesen Gender Gap auch für Niedersachsen: Von hochgerechnet 700 Jugendlichen, die mit einer Angststörung stationär behandelt wurden, waren 600 Mädchen. 350 Jugendliche kamen mit einer Essstörung ins Krankenhaus, annähernd alle waren weiblich. Von 2.050 Jugendlichen mit einer stationären Behandlung aufgrund von Depressionen waren 1.600 Mädchen. Bei Schulkindern im Alter zwischen zehn und 14 Jahren zeigt sich ein ähnliches Bild.

Weniger Klinikbehandlungen im vergangenen Jahr
Insgesamt wurden 2022 weniger Kinder und Jugendliche mit psychischen oder Verhaltensstörungen in Kliniken behandelt als vor der Corona-Pandemie. Werden alle sogenannten F-Diagnosen, also Diagnosen, die psychische und Verhaltensstörungen beschreiben, zusammengefasst, ergibt dies 2022 bei Jugendlichen in Niedersachsen einen Rückgang von 18 Prozent im Vergleich zu 2019. Damit entspricht Niedersachsen dem Bundestrend.

Positiver Trend im Vergleich zu 2021
Die Sonderauswertung zeigt bei Klinikbehandlungen von Jugendlichen, also Mädchen und Jungen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren, immer noch ein hohes Niveau im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie. Werden aber die Jahre 2022 und 2021 betrachtet, sind Rückgänge zu verzeichnen: Während die Behandlungen von Depressionen 2022 in Niedersachsen im Vergleich zu 2021 insgesamt um zehn Prozent zurückgegangen sind, ist die Abnahme bei Essstörungen (minus 19 Prozent) und bei Angststörungen (minus 21 Prozent) noch ausgeprägter.

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit. Insgesamt sind bei der Krankenkasse in Niedersachsen rund 550.000 Menschen versichert.

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