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DAK-Pflegereport: Bremen erwartet Kipppunkt durch Baby-Boomer-Effekte bereits in 2029

Bremen, 21. Oktober 2024. Die pflegerische Versorgung steht in Bremen vor einem Kipppunkt: Schon 2029 wird der Pflegenachwuchs die altersbedingten Berufsaustritte der Baby-Boomer nicht mehr auffangen können. Das sind Ergebnisse des aktuellen Landespflegereports der DAK-Gesundheit, für den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Thomas Klie vom Institut AGP Sozialforschung die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf das Pflegesystem untersucht haben. In den nächsten zehn Jahren scheiden rund 2.700 Pflegekräfte altersbedingt aus ihrem Beruf aus – das sind 26,5 Prozent, die in Bremen an Fachpersonal ersetzt werden müssen. Voraussichtlich 2029 werden erstmals deutlich mehr Pflegekräfte in den Ruhestand gehen als in den Beruf nachrücken. Folge: Neben erheblichen Finanzierungslücken in der Pflegeversicherung bedroht die massive Personalnot zunehmend die Versorgung pflegebedürftiger Menschen.


„In Bremen und Bremerhaven steht die Pflege auf der Kippe. Trotz anderslautender Versprechen sehen wir keine Entlastung für die Pflegenden und keine Reserven für den demografischen Wandel“, sagt DAK-Landeschef Michael-Niklas Rühe zu den Reportergebnissen. „Wir brauchen eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung mit Strahlkraft in die Länder, um die Pflege mit neuen Versorgungskonzepten zukunftsfähig zu machen.“ Steigende Kosten, immer mehr Pflegebedürftige und beständig abnehmende Personalressourcen strapazierten das System. Verschärft wird die Personalproblematik durch Effekte der Baby-Boomer-Generation: Mit den nahenden Renteneintritten werde die Zahl der Pflege-Fachkräfte signifikant sinken.

Bremen droht ein Kipppunkt in 2029
Laut DAK-Landespflegereport schmilzt in Bremen die Arbeitsmarktreserve in der beruflichen Pflege rasch ab. Bereits ab 2026 liegt die Prognose bei knapp 190 Renteneintritten, denen gut 300 Berufseinsteigende gegenüberstehen – das entspricht einer Arbeitsmarktreserve von 1,0 Prozent. Diese bereits äußerst dünne Personaldecke halbiert sich 2027 auf 0,5 Prozent: Statt einer Reserve von rund 100 Pflegekräften in 2026 stehen dann rechnerisch lediglich rund 50 Arbeitskräfte zur Verfügung. 2028 geht die Reserve noch weiter auf gut 40 Kräfte zurück. 2029 kann durch die Zahl der Berufseinsteiger (knapp 300) das ausscheidende Personal (mehr als 300) nicht mehr gedeckt werden. Die Reserve liegt dann bei null – ein Realverlust an Pflegenden. „Wir haben trotz guter Ausbildungszahlen keinen Puffer gegen die berufsdemografischen Dynamiken in der Pflege“, sagt Pflegeexperte und Studienleiter Prof. Thomas Klie. „Ein Ausbau der Personalkapazitäten in der Pflege wird demografiebedingt nicht gelingen. Mithilfe von Wiedereinsteigerprogrammen, Zuwanderung und Qualifizierungsstrategien lassen sie sich bestenfalls stabil halten.“

26,5 Prozent der Pflegekräfte müssen ersetzt werden
2023 gab es über 10.400 professionell Pflegende in Bremen und Bremerhaven. Mehr als 2.700 von ihnen erreichen in den nächsten zehn Jahren das Renteneintrittsalter, das sind 26,5 Prozent. Dieser Ersatzbedarf beschreibt dabei ausschließlich, wie groß die Lücke netto ist. Der tatsächliche Bedarf dürfte vor dem Hintergrund einer kontinuierlich wachsenden Zahl pflegebedürftiger Menschen noch weitaus größer sein. „Wir schätzen, dass in den nächsten 25 Jahren rund 2,3 Millionen Menschen mehr als heute auf pflegerische Unterstützung angewiesen sein werden“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Thomas Klie.

Starke gesundheitliche Belastungen
Hinzukommt eine überdurchschnittlich große gesundheitliche Belastung des Pflegepersonals. Vor allem Erkrankungen des Bewegungsapparates und psychische Belastungen sind ursächlich für durchschnittlich 40 Fehltage von Beschäftigten in Pflegeberufen in Bremen in der Altersgruppe ab 58 Jahren. Zum Vergleich: In anderen Berufsgruppen in dieser Alterssparte sind es 31 Fehltage (2022). „Die Personalsituation in der Pflege ist auch in der Hansestadt Bremen alarmierend und wird durch die Renteneintritte der Baby-Boomer vor enorme Herausforderungen gestellt. Die Zahl der Fachkräfte sinkt rapide und hat schon jetzt regionale Engpässe zur Folge. Mittelfristig wird dieser Mangel so gravierend, dass unser Pflegesystem an seine Belastungsgrenze kommt“, sagt Michael-Niklas Rühe, Leiter der DAK-Landesvertretung in Bremen.

Sorge um finanzielle Absicherung bei Pflegebedürftigkeit
Steigende Kosten belasten das Pflegesystem zusätzlich: Bereits für das vierte Quartal 2024 zeichnen sich laut Berechnungen im DAK-Pflegereport deutliche Finanzierungslücken ab, die voraussichtlich Beitragssatzerhöhungen noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr erforderlich machen. Damit einher geht auch die Frage der finanziellen Absicherung der Menschen. Laut einer repräsentativen Umfrage vom Institut für Demoskopie Allensbach im Rahmen des DAK-Pflegereports gab rund ein Drittel der Befragten in Norddeutschland an, sich Sorgen zu machen, im Fall der Pflegebedürftigkeit ausreichend finanziell abgesichert zu sein. „Die Sorgen der Menschen in Bremen müssen wir ernst nehmen“, sagt Rühe. „Das von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im vergangenen Jahr abgegebene Versprechen einer zumindest kurzfristigen Stabilisierung der Pflegefinanzen bis zum Ende der laufenden Wahlperiode ist wohl nicht mehr zu halten.“ Er fordert ein Konzept, das den wachsenden Finanzbedarf aufgrund steigender Kosten in der pflegerischen Versorgung langfristig absichert. Dies sei essenziell, um das Pflegesystem zukunftsfähig zu machen.

Baby-Boomer: Problem und Lösung zugleich
Neben Finanzierungskonzepten und einer Investition in Assistenzberufe   werden auch neue Versorgungsformen notwendig sein: „Die Baby-Boomer sind in der Pflegediskussion das Problem und die Lösung zugleich“, sagt Michael-Niklas Rühe. Es werde neue Formen gegenseitiger Unterstützung brauchen, um eine solidarische Pflege und Sorge vor Ort sicherzustellen. „Wir als immer älter werdende Gesellschaft benötigen Modelle geteilter Verantwortung‘, die intelligente Verschränkungen von professioneller Pflege, informeller Sorge und zivilgesellschaftlicher Initiative ermöglichen – wie etwa in ambulant betreuten Wohngemeinschaften praktiziert“, so Rühe. Erforderlich seien bürokratische Abrüstung, sektoren- und professionsübergreifende Kooperations- und Versorgungsformen sowie Planung auf kommunaler Ebene. „Eine Mixtur aus nachberuflicher Erwerbstätigkeit und bürgerschaftlichem Engagement könnte vor Ort einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Pflegesituation leisten.“ Die Bereitschaft dafür ist vorhanden: Laut Allensbach-Befragung sind im Norden 64 Prozent der Menschen bereit, Nachbarn, Freunde und Bekannte bei Pflegebedürftigkeit regelmäßig im Alltag zu unterstützen. Zudem brauche es ein flächendeckendes Angebot von Betreuungs- und hauswirtschaftlichen Unterstützungsformen, um pflegende Angehörige zu stärken.

Die DAK-Gesundheit ist mit gut 5,5 Millionen Versicherten, davon rund 33.000 in Bremen, die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands. Angebote zum Thema Pflege unter Pflege: Tipps und Leistungen (dak.de)




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