DAK-Pflegereport: Baby-Boomer-Effekte verschärfen die Personalnot in Berlin deutlich
Berlin, 20. August 2024. Das Ausscheiden der Baby-Boomer-Generation verschärft die Situation der beruflichen Pflege in der Hauptstadt. Neben erheblichen Finanzierungslücken in der Pflegeversicherung bedroht die steigende Personalnot zunehmend die Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Das sind Ergebnisse des aktuellen Pflegereports der DAK-Gesundheit für Berlin. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Thomas Klie vom Institut AGP Sozialforschung haben die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf das Pflegesystem untersucht. Demnach wird die ohnehin dünne Arbeitsmarktreserve von rund 650 Fachkräften (1,4 Prozent) in 2024 auf lediglich 350 Fachkräfte (0,8 Prozent) im Jahr 2030 abschmelzen. Folge: Ausscheidendes Pflegepersonal kann lediglich ersetzt werden. Ein Personal- und Strukturaufbau, um den demografischen Wandel abfedern zu können, ist laut Studie nicht möglich. Laut DAK-Landespflegereport müssen in den nächsten zehn Jahren in Berlin 23 Prozent vom Pflegepersonal ersetzt werden, das sind 1,1 Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt.
„Wir stehen in Berlin vor einer großen Herausforderung beim Personalbedarf an Pflegekräften. Trotz anderslautender Versprechen sehen wir keine Entlastung für die Pflegenden und keine Reserven für den demografischen Wandel“, sagt DAK-Landeschef Volker Röttsches zu den Reportergebnissen. „Wir brauchen eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung mit Strahlkraft in die Länder, um die Pflege mit neuen Versorgungskonzepten zukunftsfähig zu machen.“ Steigende Kosten, immer mehr Pflegebedürftige und beständig abnehmende Personalressourcen strapazierten das System. Verschärft wird die Personalproblematik durch Effekte der Baby-Boomer-Generation: Nahende Renteneintritte müssen durch Berufseinsteiger kompensiert werden.
Arbeitsmarktreserve schmilzt auf 0,8 Prozent
2023 gab es mehr als 45.800 professionell Pflegende in Berlin. Rund 10.500 von ihnen erreichen in den nächsten zehn Jahren das Renteneintrittsalter, das sind 23 Prozent. Dieser Ersatzbedarf beschreibt dabei ausschließlich, wie groß die Lücke netto ist. Der tatsächliche Bedarf dürfte vor dem Hintergrund einer kontinuierlich wachsenden Zahl pflegebedürftiger Menschen noch weitaus größer sein. „Wir schätzen, dass in den nächsten 25 Jahren rund 2,3 Millionen Menschen bundesweit mehr als heute auf pflegerische Unterstützung angewiesen sein werden“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Thomas Klie. Laut DAK-Landespflegereport schmilzt in Berlin die Arbeitsmarktreserve in der beruflichen Pflege bis 2030 auf 0,8 Prozent ab. Für 2024 liegt die Prognose bei 702 Renteneintritten, denen 1356 Berufseinsteiger gegenüberstehen – das entspricht einer Arbeitsmarktreserve von 1,4 Prozent. 2030 geht die Reserve auf 350 Kräfte zurück, was 0,8 Prozent entspricht. „Wir haben trotz guter Ausbildungszahlen keinen Puffer gegen die berufsdemografischen Dynamiken in der Pflege“, sagt Pflegeexperte und Studienleiter Prof. Thomas Klie. Ein Strukturaufbau der pflegerischen Versorgung, könne angesichts der vorliegenden Kennzahlen allein aus der Qualifikation nicht erfolgen. Werden keine zusätzlichen Ressourcen gewonnen (z.B. durch die Anwerbung von Pflegenden aus dem Ausland),
so werden die bestehenden Einrichtungen lediglich Personal ersetzen. „Ein Ausbau der Personalkapazitäten in der Pflege wird demografiebedingt nicht gelingen.“ Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats und Geschäftsführerin Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe sagt: „Neben attraktiven Ausbildungsbedingungen -das Land Berlin verspricht seit 5 Jahren einen Bildungscampus für Gesundheitsberufe an einem Standort - braucht es selbstständige Vertretung von Pflegefachpersonen in Berlin. Nur so können die Kompetenzen der Pflege in die weitere Gesundheitsstrategie einwandern und der Beruf bekommt endlich die Anerkennung, die es braucht, um Junge Menschen in den Beruf zu bringen und Erfahrene zu halten.“
Starke gesundheitliche Belastungen
Hinzu kommt eine überdurchschnittlich große gesundheitliche Belastung des Pflegepersonals. Vor allem Erkrankungen des Bewegungsapparates und psychische Belastungen waren im Jahre 2022 in Berlin ursächlich für durchschnittlich 53 Fehltage von Beschäftigten in der Pflege. Zum Vergleich: In anderen Branchen waren es 36 Fehltage. Auch 2023 hatte die Berufsgruppe, zu der die Altenpflege gehört, mit 7,1 Prozent in Berlin einen überdurchschnittlich hohen Krankenstand. Das bedeutet, dass jeden Tag 71 Mitarbeitende von 1.000 krankgeschrieben waren (Landesschnitt über alle Berufsgruppen: 5,4 Prozent). „Die Personalsituation in der Pflege ist alarmierend und wird durch die Renteneintritte der Baby-Boomer vor weitere große Herausforderungen gestellt“, so Röttsches. „Diese Situation kollidiert mit den Erwartungen der Pflegenden, durch einen Personal- und Strukturaufbau spürbare Entlastungen zu erfahren. Ebenso mit dem Anspruch, die Auswirkungen der demografischen Entwicklungen der Bevölkerung abzufedern.“
Sorgen um finanzielle Absicherung bei Pflegebedürftigkeit
Steigende Kosten belasten das Pflegesystem zusätzlich: Bereits für das vierte Quartal 2024 zeichnen sich laut Berechnungen im DAK-Pflegereport deutliche Finanzierungslücken ab, die voraussichtlich Beitragssatzerhöhungen noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr erforderlich machen. Damit einher geht auch die Frage der finanziellen Absicherung der Menschen. Laut einer repräsentativen Umfrage vom Institut für Demoskopie Allensbach im Rahmen des DAK-Pflegereports gaben 46 Prozent der Befragten in Berlin an, sich Sorgen zu machen, im Fall der Pflegebedürftigkeit ausreichend finanziell abgesichert zu sein. Lediglich 33 Prozent machen sich keine Sorgen. „Die Sorgen der Menschen in Berlin müssen wir ernst nehmen“, sagt Röttsches. „Das von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im vergangenen Jahr abgegebene Versprechen einer zumindest kurzfristigen Stabilisierung der Pflegefinanzen bis zum Ende der laufenden Wahlperiode ist wohl nicht mehr zu halten.“ Er fordert ein Konzept, das den wachsenden Finanzbedarf aufgrund steigender Kosten in der pflegerischen Versorgung langfristig absichert. Dies sei essenziell, um das Pflegesystem zukunftsfähig zu machen.
Downloads
Bild herunterladen (Copyright: GettyImages-892779764 DAK-Gesundheit)
Ihr Kontakt
Stefan Poetig
Pressesprecher Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern
Beuthstr. 6
10117 Berlin