Depression und Stress: Viele Beschäftigte in Berlin haben psychisches Risiko für Herzinfarkt
Berlin, 17. Oktober 2022. In Berlin sind die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen in den vergangenen zehn Jahren um 29 Prozent gestiegen. Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Ängste sind annähernd gleich auf mit Krankheiten des Muskel-Skelettsystems die häufigste Ursache für eine Krankschreibung. Sie können auch körperliche Folgen haben und das Herz schwächen. Laut DAK-Gesundheitsreport 2022 hat landesweit etwa jeder und jede fünfte Beschäftigte mindestens einen psychischen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hochgerechnet auf die Erwerbstätigen haben damit 468.000 Menschen in Berlin ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko durch Depressionen, Ängste oder Arbeitsstress. Die Betroffenen weisen auch vermehrt körperliche Risikofaktoren wie Adipositas oder Bluthochdruck auf.
Jedes Jahr sterben mehr als 11.000 Menschen in Berlin an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. „Unser aktueller Gesundheitsreport zeigt, dass die Bedeutung von Stress und psychischen Erkrankungen als Risiko für Herzinfarkte höher ist als gedacht“, sagt Volker Röttsches, Landeschef der DAK-Gesundheit. „Die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen bewegen sich seit Jahren auf konstant hohem Niveau. Depressionen und negativer Stress sind bereits für sich genommen eine große Belastung. Sie schlagen aber auch buchstäblich aufs Herz“. Expertenstimmen zufolge ist das Risiko für einen Herzinfarkt bei Depressionen ähnlich hoch wie bei starkem Übergewicht.
Psychische Risikofaktoren kommen häufig nicht allein
Der DAK-Gesundheitsreport zeigt eine Zunahme der Fehltage wegen psychischer Erkrankungen von 2011 bis 2021 um 29 Prozent. Für die Studie analysierte das IGES-Institut die Daten von rund 109.000 erwerbstätigen DAK-Versicherten. Zusätzlich befragte das Forsa-Institut für die DAK-Gesundheit 200 Beschäftigte in Berlin. Demnach lebt ein Fünftel der Befragten mit einem psychischen Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung. Und diejenigen, die von Depressionen, Angststörungen oder Arbeitsstress betroffen sind, berichten auch oft von weiteren verhaltensbezogenen oder körperlichen Risikofaktoren. So leiden sie deutlich häufiger unter einer Adipositas (plus 13 Prozentpunkte) und einem erhöhtem Blutdruck (plus neun Prozentpunkte). „Zwischen Psyche und Herz gibt es eine auffällige Wechselwirkung“, sagt DAK-Landeschef Röttsches. „Das sollten Ärzte, Medizinerinnen und Arbeitgeber bei Prävention und Gesundheitsprogrammen im Blick behalten.“
Unterschätzte Wechselwirkung von Psyche und Körper
Der Report zeigt darüber hinaus, dass viele Erwerbstätige mit Depressionen auch häufiger wegen der sogenannten koronaren Herzkrankheit (KHK) in ärztlicher Behandlung sind. Bei KHK verschließen sich langsam die Herzkranzgefäße und es kann auch schon im mittleren Lebensalter zu einem akuten Herzinfarkt kommen. „Zum einen ist es so, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen häufiger Herzprobleme haben. Zum anderen zeigen unsere Abrechnungsdaten, dass Herz-Kreislauf-Patientinnen und -Patienten auch häufiger eine psychische Erkrankung entwickeln“, erklärt Röttsches. Vier Prozent der Männer mit einer Depressionsdiagnose sind gleichzeitig mit KHK in Behandlung, aber nur 2,2 Prozent ohne Depression. Bei den Frauen ist der Unterschied ebenfalls deutlich.
Arbeitsstress als Belastung für das Herz
Laut Report kann eine problematische Situation am Arbeitsplatz Stress und Ängste befeuern. Ein Problem ist die sogenannte Gratifikationskrise. Sie meint eine Kluft zwischen Leistung und Belohnung. Zehn Prozent der Befragten in Berlin sind betroffen: Sie bringen viel Leistung oder nehmen es zumindest so wahr und erfahren gleichzeitig wenig Wertschätzung. So berichten 27 Prozent von Mehrarbeit und elf Prozent empfinden das, was sie als Anerkennung von ihren Vorgesetzten bekommen, als zu dürftig.
Ältere Erwerbstätige fehlen häufiger wegen Herz-Kreislauf
Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen im Durchschnitt 56 Fehltage im Jahr je 100 Versicherte – bei den Männern mehr, bei den Frauen weniger. Mit dem Alter steigt die Anzahl der Fehltage deutlich an. 45- bis 49-jährige Männer bringen es je 100 Versicherte auf rund 69 Fehltage, bei ihren zehn Jahre älteren Kollegen sind es 217 Tage – mehr als dreimal so viele. DAK-Landeschef Röttsches sieht Firmen in der Pflicht, Stress, Belastung und die psychische und physische Gesundheit ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick zu haben und zu schützen.
Laut der Studie erhalten 58 Prozent der Erwerbstätigen ohne Herzrisiko von Arbeitgeberseite Angebote aus dem Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung. Bei denjenigen mit mindestens einem Risikofaktor sind es mit 45 Prozent viel weniger. Dabei sei Prävention bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sehr wichtig, betont Röttsches. Auch die Krankenkassen böten zahlreiche Kurse, um den eigenen Lebensstil zu ändern. Wer weniger raucht, sich mehr bewegt, gesünder ernährt, mehr entspannt und ein gesünderes Arbeitsleben hat, senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Für gesetzlich Versicherte ist außerdem ein jährlicher Check-up ab 35 Jahren alle drei Jahre kostenlos. Die medizinische Vorsorgeuntersuchung könne mögliche Risikofaktoren frühzeitig erkennen, sei aber in Berlin 29 Prozent der Befragten ab 35 Jahren mit Risikofaktoren unbekannt.
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