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RSV-Infektionen bei Baden-Württemberger Babys: dreimal so viele Klinikbehandlungen

Stuttgart, 30. März 2023. Bei Neugeborenen und Säuglingen sind die Klinikbehandlungen mit dem sogenannten RS-Virus in Baden-Württemberg drastisch gestiegen. Die Zahl der unter Einjährigen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) lag im 4. Quartal 2022 dreimal höher als im gleichen Zeitraum 2018 – vor der Corona-Pandemie. Hochgerechnet auf alle in Baden-Württemberg lebenden Kinder mussten im Winter 2022 rund 2.100 Babys im Krankenhaus behandelt werden. Der Anteil auf den Intensivstationen stieg um 134 Prozent. Das zeigt eine repräsentative DAK-Sonderanalyse des baden-württembergischen Kinder- und Jugendreports. Als erste Krankenkasse hat die DAK-Gesundheit die Krankenhausbehandlungen von Kindern und Jugendlichen im Südwesten mit Hinblick auf RSV-Infektionen bis Ende 2022 untersucht. Mediziner beobachten erhebliche Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie. DAK-Landeschef Euerle sieht akuten Handlungsbedarf.

Für die DAK-Sonderanalyse im Rahmen des baden-württembergischen Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von über 88.000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden die Jahre 2017 bis 2022. Damit legt die Krankenkasse erstmals aktuelle Daten zu RSV-Infektionen und Atemwegserkrankungen in Baden-Württemberg vor. Nach der Analyse haben sich die Klinikbehandlungen von Neugeborenen und Säuglingen mit einer RSV-Infektion im Vergleich der vierten Quartale 2022 und 2018 verdreifacht. So wurden allein im Zeitraum Oktober bis Dezember 2022 mehr Kinder aufgrund von RSV in Krankenhäusern behandelt als in der kompletten Vor-Corona-Saison 2018/19, die ein gesamtes Jahr umfasst. Einen drastischen Anstieg gab es auch bei den besonders schweren Fällen: So hat sich die Zahl der Behandlungen auf Intensivstationen mehr als verdoppelt.

„Unsere Analyse zeigt eine besorgniserregende Entwicklung,“ sagt Siegfried Euerle, Landeschef der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg und macht deutlich: „Es gibt einen akuten Handlungsbedarf. Ein Personalmangel darf nicht zu einer Gefährdung der Versorgung führen. Dieser Zustand darf sich nicht wiederholen. Die bereits beschlossenen Maßnahmen der Politik zur Verbesserung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen müssen nun konsequent und zügig umgesetzt werden“, so Euerle. „Denn es geht vor allem darum, die Gesundheit von Neugeborenen und Säuglingen zu schützen. Wir müssen alles tun, damit Kinder im Ländle gesund aufwachsen und dürfen die Kleinsten und Schwächsten nicht alleine lassen.“

Ausfall der RSV-Welle in der Pandemie
Die DAK-Sonderanalyse macht deutlich, dass während der Covid-19-Pandemie im Südwesten nahezu keine Kinder mit RSV-Infektionen im Krankenhaus behandelt worden sind. Nach der Corona-Pandemie hat sich der Höhepunkt der RSV-Welle zeitlich nach vorne verschoben. Und es wurden merklich mehr Kinder stationär versorgt: So verdreifachte sich in der vollständigen Saison 2021/22 der Anteil der baden-württembergischen Babys, die mit RSV im Krankenhaus behandelt wurden, im Vergleich zur Saison 2018/19. Hochgerechnet mussten in der Saison 2021/22 in Baden-Württemberg rund 3.850 Neugeborene und Säuglinge in Kliniken versorgt werden. Atemwegserkrankungen sind ein vergleichsweise häufiger Grund für eine Krankenhausbehandlung im Kindes- und Jugendalter. So waren in der Saison 2021/22 insgesamt 54 Prozent aller Krankenhausaufenthalte von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg auf Atemwegsinfekte zurückzuführen. 26 Prozent aller Kinder, die mit Atemwegserkrankungen in Kliniken versorgt wurden, waren Neugeborene und Säuglinge unter einem Jahr.

Medizin-Experten sehen erhebliche Nachholeffekte
„Die Ergebnisse zeigen genau das, was wir in den Praxen erlebt haben“, sagt Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. RSV-Infektionen seien die Ursache typischer saisonaler Atemwegsinfektionen, die wellenförmig verlaufen. Diese Wellen seien unvorhersehbar stark ausgeprägt, was natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Krankheitslast nicht nur in den Kliniken habe. „Die Saison 2020/21 ist wegen der Corona-Schutzmaßnahmen nahezu ausgefallen. Dieser Ausfall der Welle 2020/21 und das zeitliche Vorziehen der sehr starken Welle 2021/22 lassen den Schluss zu, dass es zu erheblichen Nachholeffekten infolge der Corona-Maßnahmen gekommen ist.“

Dies bestätigt auch Prof. Dr. Jan Steffen Jürgensen, Vorstand des Klinikums Stuttgart: „Die ausgeprägt starke Krankheitslast durch RSV-Erkrankungen im Herbst 2021 und Herbst/Winter 2022 ist im Wesentlichen das Nachholen einer ausgefallenen Infektsaison – mit kritischer Überlagerung mehrerer Wellen. An den schweren Verläufen vieler Neugeborener und Säuglinge wurde das schmerzhaft deutlich.“

Für BVKJ-Präsident Fischbach ist auffällig, dass ungewöhnlich viele Neugeborene und Säuglinge trotz erheblicher Krankheitslast nicht stationär aufgenommen werden konnten, weil kein Platz mehr in den Kliniken war. Dies habe in der ambulanten Versorgung zu einem erheblichen Betreuungs- und Versorgungsaufwand geführt, da engmaschige Kontrollen erforderlich gewesen wären. „Die Kliniken arbeiteten an ihren Kapazitätsgrenzen, was nicht zuletzt auch durch coronabedingt hohe Personalausfälle bedingt war. Das galt auch für den ambulanten Versorgungsbereich“, so Fischbach. Die DAK-Sonderanalyse zeige, wie wichtig die Infektionssurveillance sei. „Es gilt, unbedingt die weitere Entwicklung abzuwarten und die RSV-Epidemiologie der kommenden Jahre genau zu verfolgen“, so Fischbach. „Gleichzeitig müssen die Bettenkapazität und die Personalausstattung der Kinderkliniken und -abteilungen verbessert werden. Wir brauchen mehr Kinderkrankenpflegekräfte, die durch eine fachbezogene Ausbildung gewonnen werden müssen. Analoges gilt für den Beruf der Medizinischen Fachangestellten (MFA), der attraktiver werden muss.“

Auch Prof. Jürgensen fordert erneut, die Rahmenbedingungen für Kinderkrankenhäuser endlich zu verbessern: „Die Zahl der Betten in Kinderkrankenhäusern ist seit Jahren rückläufig. In den letzten 30 Jahren betrug der Abbau etwa 40 Prozent. Die verbliebenen Kliniken sind oft sehr stark belastet. Kindernotaufnahmen arbeiten am Limit und schon bei leichten Steigerungen der Patienten wird die Überlastung immer wieder gefährlich. Allein in der Kindernotaufnahme des Klinikums Stuttgart wurden letztes Jahr über 50.000 Kinder akut versorgt.“ In der Analyse der kritischen Situation seien sich alle einig. Auch die Regierungskommission und Bundesgesundheitsminister Lauterbach, so Jürgensen. In den Kliniken komme aber kaum Hilfe an, was auch in einer von den kinderheilkundlichen Fachgesellschaften und dem Klinikum Stuttgart geförderten Petition an den Bundestag mit ca. 70.000 Unterschriften deutlich kritisiert wird.

Neben der Forderung nach einer schnelleren Umsetzung der Reformen für eine stabile Finanzierung der Kinderheilkunde ist sich Jürgensen mit dem BKVJ-Präsidenten einig, was die Steigerung der Attraktivität und Ausbildungsangebote für Fachkräfte betrifft. „Dazu gehört auch die Erhöhung der Medizinstudienplätze. Viele Praxen finden keine Nachfolger und Kapazitätsengpässe in den Kliniken liegen selten an fehlender Infrastruktur, sondern fast immer an fehlenden Köpfen.“

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit. Insgesamt sind bei der Krankenkasse in Baden-Württemberg rund 630.000 Menschen versichert.

Weitere Informationen zur Petition zur Stärkung der Kinderheilkunde: www.openpetition.de/Kinderheilkunde

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