Ein Viertel weniger HPV-Impfungen bei Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg
Stuttgart, 10. November 2023. HPV-Impfungen gehen in Baden-Württemberg dramatisch zurück. 2022 wurden 24 Prozent weniger Kinder und Jugendliche als im Vorjahr gegen Krebs geimpft. Besonders stark ist der Rückgang bei 15-17-jährigen Jungen. Hier sanken die HPV-Impfungen um 39 Prozent. Insgesamt gab es bei Jungen ein Minus von 28 Prozent und bei Mädchen einen Rückgang von 21 Prozent. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Sonderanalyse des Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit. Auch der Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 zeigt einen rückläufigen Trend. Humane Papillomviren (HPV) werden sexuell übertragen und können unter anderem Gebärmutterhalskrebs und Krebs im Mund-Rachen-Raum hervorrufen. DAK-Landeschef Siegfried Euerle fordert eine Impf-Offensive und mehr Aufklärung über Vorteile einer HPV-Impfung.
„Der hohe Rückgang bei HPV-Impfungen im Südwesten ist besorgniserregend und ein schlechtes Zeichen für die Gesundheitsvorsorge unserer Kinder“, sagt Siegfried Euerle, Landeschef der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg. „Nach der Corona-Pandemie ist leider der erhoffte Nachholeffekt ausgeblieben. Dabei sind HPV-Impfungen besonders wichtig, denn sie schützen junge Menschen vor Krebserkrankungen, welche oft zum Tode führen. Daher brauchen wir dringend eine Impf-Offensive, um unsere Kinder vor der tückischen Krankheit zu schützen.“
Für die aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 87.300 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg versichert sind. Analysiert wurden anonymisierte Versichertendaten aus den Jahren 2017 bis 2022.
Geringe Impfquoten vor allem bei Jungen
Die DAK-Auswertung zeigt, dass 2022 deutlich weniger Kinder und Jugendliche aus Baden-Württemberg erstmalig eine HPV-Impfung erhalten haben als 2021. So gingen die Impfungen bei Mädchen um 21 Prozent und bei Jungen um 28 Prozent zurück. Besonders stark sanken die Erstimpfungszahlen bei jugendlichen Jungen im Alter von 15- bis 17-Jahren. Hier steht ein Minus von 39 Prozent.
Krebsverband Baden-Württemberg appelliert an Eltern
Auch der Krebsverband Baden-Württemberg unterstützt die Aufklärungsoffensive der DAK-Gesundheit. „Noch immer erkranken zu viele Menschen in Baden-Württemberg an HPV-bedingten Krebserkrankungen“, sagt Marion von Wartenberg, stellvertretende Vorsitzende des Krebsverbandes Baden-Württemberg. „Es kann so viel Leid durch eine Impfung verhindert werden. Daher mein Appell an alle Eltern: Lassen Sie Ihre Kinder impfen.“
Starke Rückgänge im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit
Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 sind die Rückgänge noch ausgeprägter: 2022 erhielten 40 Prozent weniger Kinder und Jugendliche erstmalig eine Impfung gegen Krebs als 2019. Auch hier gingen die Zahlen bei Jungen mit 46 Prozent stärker zurück als bei Mädchen mit 35 Prozent. Deutliche Negativtrends zeigen sich vor allem in der Altersgruppe der 15- bis 17-Jährigen – insbesondere bei jugendlichen Jungen mit einem Minus von 58 Prozent. Auch der Anteil erstmalig geimpfter Kinder, die ins impfrelevante Alter von neun Jahren eintreten, ist im Landesdurchschnitt 2022 zuletzt gesunken.
„Die Ergebnisse des DAK-Kinder- und Jugendreportes 2023 zeigen leider eine deutlich rückläufige HPV-Erstimpfungsquote. Der Anteil der gegen HPV geimpften Kinder war schon vor der Pandemie nicht besonders hoch, gerade im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Nun ist er besorgniserregend niedrig“, so Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen e. V. (BVKJ). „Darüber, wie dieser massive Rückgang zu erklären ist, kann ich nur spekulieren. Sicherlich hat die HPV-Impfung im Zuge der hohen medialen Aufmerksamkeit rund um die Corona-Schutzimpfung zeitweise weniger Beachtung erfahren. Auch kann ich eine leicht erhöhte Impfskepsis beobachten, ausgelöst durch die vielen Diskussionen um vermeintliche Folgeschäden der Corona-Schutzimpfung. Das hat ganz bestimmt auch Auswirkungen auf die HPV-Impfung.“ Positiv zu bewerten sei der gestiegene Anteil impfender Pädiaterinnen und Pädiater. „Für die Zukunft wünsche ich mir, den Bekanntheitsgrad der HPV-Impfung durch Werbeinformationen für Eltern und Patienten weiter zu erhöhen. Da sehe ich auch die Krankenkassen und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in der Verantwortung“, so Fischbach weiter. „Ebenfalls wünschenswert wäre ein elektronischer Impfausweis mit einer niedrigschwelligen Informations- und Erinnerungsmöglichkeit und dass die Relevanz der HPV-Impfung im Schulunterricht stärker thematisiert wird.”
STIKO: Impfempfehlung für Mädchen und Jungen
Seit 2007 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine HPV-Impfung für Mädchen und seit 2018 auch für Jungen. Humane Papillomviren (HPV) werden sexuell übertragen und können Gebärmutterhalskrebs sowie Krebs im Mund-Rachen-Raum, an weiblichen und männlichen Geschlechtsorganen und im After verursachen. Laut Robert Koch-Institut erkranken in Deutschland jedes Jahr rund 6.250 Frauen und 1.600 Männer an HPV-bedingtem Krebs. Eine Impfung sollte idealerweise vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen. Die DAK-Gesundheit übernimmt die HPV-Impfung für alle Kinder im Alter bis 17 Jahren und zusätzlich im Rahmen einer Satzungsleistung für alle 18- bis 26-Jährigen. Damit geht die Kasse über den gesetzlichen Leistungsanspruch hinaus.
Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit. Insgesamt sind bei der Krankenkasse in Baden-Württemberg rund 630.000 Menschen versichert.
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