DAK-Report: Drastischer Lockdown-Einbruch bei der Versorgung von Kindern in Baden-Württemberg
Stuttgart, 12. Februar 2021. Die Pandemie hat auch in Baden-Württemberg massive Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung von Minderjährigen. Der Lockdown im März und April 2020 führte zu einer spürbaren Corona-Delle bei den Krankenhausbehandlungen. Im Vergleich zum Vorjahr fiel fast jede zweite Operation von Kindern und Jugendlichen aus (minus rund 46 Prozent). Insgesamt gingen die Krankenhausfälle im Südwesten um rund 38 Prozent zurück. Drei Prozentpunkte weniger als im Bundesdurchschnitt (Rückgang 41 Prozent). Das zeigt eine aktuelle und repräsentative Sonderanalyse der DAK-Gesundheit, die die Universität Bielefeld erstellt hat. Gründe für die Corona-Delle waren verschobene Behandlungen durch die Krankenhäuser und weniger Klinikbesuche aus Angst der Eltern vor Ansteckungen. Die stärksten Rückgänge gab es bei Infektionen, Augen- und Ohrenerkrankungen und Atemwegserkrankungen. Durch die Entwicklung erwarten Mediziner jetzt einen Anstieg von schweren Verläufen bei chronischen Erkrankungen von Kindern. Für Siegfried Euerle, Landeschef der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg „birgt die Situation die Gefahr von Folgeschäden.“
Im Rahmen der DAK-Sonderanalyse untersuchte die Universität Bielefeld die anonymisierten Krankenhausdaten von mehr als 85.000 Baden-Württemberger Kindern und Jugendlichen im Alter von null bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Untersucht und verglichen wurden die ersten Halbjahre 2019 und 2020. Kernergebnisse: Im Corona-Lockdown März und April 2020 wurde fast jede zweite Operation bei jungen Patienten nicht durchgeführt (Rückgang von rund 46 Prozent). Gleichzeitig ging die Zahl der Krankenhausfälle um rund 38 Prozent zurück. Dieser Effekt betraf alle Altersgruppen.
Kinderkliniken sehen mehr schwere Krankheitsverläufe
„Im Frühjahr 2020 wurden in den Krankenhäusern viele nicht dringende stationäre und ambulante Behandlungen deutlich reduziert. Aber auch aus Angst vor Ansteckung oder wegen der eingeschränkten Besuchsregelungen haben Eltern Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte gemieden oder aufgeschoben. Viele Krankheiten konnten so erst verzögert diagnostiziert und in komplizierten Stadien behandelt werden,“ sagt Prof. Dr. med. Jan Steffen Jürgensen, Vorstandsvorsitzender des Klinikums Stuttgart, zu dem auch Deutschlands größte Kinderklinik, das Olgahospital, gehört. „So wurden in der Kindernotaufnahme deutlich mehr Blinddarmentzündungen, die bereits zum Blinddarmdurchbruch geführt hatten, vorgestellt. Auch die Zahl der neu diagnostizierten Leukämien bei Kindern ging durch fehlende Vorstellungen in Praxen zunächst zurück – und konnte erst später als Häufung fortgeschrittener Verläufe erkannt und therapiert werden.“ Auch bei chronischen Erkrankungen, wie Diabetes mellitus, war die Versorgung zeitweise erschwert und konnte durch Hygienekonzepte und telemedizinische Angebote stabilisiert werden.
Corona-Delle ist deutliches Warnsignal
„Die Corona-Delle bei den Kinder-Operationen und Behandlungszahlen birgt die Gefahr von Folgeschäden“, betont Siegfried Euerle, Landeschef der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg. „Unser Gesundheitssystem muss Eltern und Kindern die Sicherheit geben, damit sie sich vertrauensvoll versorgen lassen können. Es darf nicht sein, dass notwendige Behandlungen aus Angst vor Ansteckungen verschoben werden. In der aktuellen Corona-Diskussion spielt die Kinder- und Jugendgesundheit in Baden-Württemberg eine zu geringe Rolle und das müssen wir ändern – zum Wohle unserer Kinder im Ländle.“
Weniger Einweisungen mit Infektionskrankheiten
Bei den Kindern und Jugendlichen, die während des ersten Lockdowns in Baden-Württemberg stationär versorgt wurden, ging vor allem die Zahl der Infektionen (minus 47 Prozent) und der Augen- und Ohrenerkrankungen (minus 40 Prozent) zurück. Ursache waren laut Analyse der Universität Bielefeld die Kontaktbeschränkungen für Kinder und Jugendliche, wodurch es zu weniger Ansteckungen kam. Auch Infektionen der oberen Atemwege (minus 41 Prozent) waren stark rückläufig. Bei ernsthaften Diagnosen wie Krebserkrankungen gab es keinen Rückgang.
Normalisierung acht Wochen nach Lockdown
Laut DAK-Sonderanalyse war die Versorgungssituation der Kinder und Jugendlichen in Baden-Württemberger Krankenhäusern acht Wochen nach dem Lockdown wieder mit dem Vorjahr vergleichbar. Dabei gab es jedoch je nach Erkrankungsart Unterschiede. So wurden Atemwegs- und Infektionserkrankungen – vermutlich aufgrund der anhaltenden Kontakt-reduzierungen – auch Ende Juni noch deutlich seltener als im Vorjahr im Krankenhaus behandelt. Die Universität Bielefeld sah in den vorliegenden Daten des ersten Halbjahrs noch keinen Nachholeffekt, rechnet aber damit für das zweite Halbjahr 2020.
Die DAK-Gesundheit ist mit 5,6 Millionen Versicherten, davon 650.000 in Baden-Württemberg, die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit.
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Daniel Caroppo
Pressesprecher Baden-Württemberg & Saarland
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