Pflegeversicherung: Beitragserhöhung muss vermieden werden
- Aktuelles Rechtsgutachten: Rückzahlung von Corona-Hilfen an die Pflegeversicherung zwingend geboten
- DAK-Chef Andreas Storm fordert kurzfristige Rückzahlung von 6 Milliarden Euro an die Pflegekassen: „Schuldenbremse darf keine Ausrede sein“
- Finanzspritze kann drohenden Beitragssatzanstieg 2025 verhindern
Hamburg, 7. Oktober 2024. Die DAK-Gesundheit fordert von der Bundesregierung, eine Beitragssatzerhöhung in der Pflegeversicherung zu vermeiden. Ein aktuelles Rechtsgutachten im Auftrag der Kasse zeigt auf, dass die Rückzahlung von Corona-Hilfen an die Pflegeversicherung zwingend geboten ist. Vor diesem Hintergrund fordert DAK-Vorstandchef Andreas Storm vom Bund die kurzfristige Rückzahlung von 6 Milliarden Euro. Erfolge die Rückzahlung nicht, sei dies laut Gutachten eindeutig verfassungswidrig und habe fatale Folgen. Mit der geforderten Finanzspritze kann der für 2025 drohende massive Beitragsanstieg in der Pflegeversicherung von rund 0,3 Prozentpunkten verhindert werden.
„Die Schuldenbremse darf nicht als Ausrede für rechtswidriges Handeln zulasten der Pflegeversicherung dienen. Eine Beitragserhöhung muss unbedingt vermieden werden“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. „Das Ergebnis unseres Rechtsgutachtens ist eindeutig: In der Pandemie gab es einen Rückgriff auf Beitragsgelder, der angesichts der akuten Finanzprobleme zwingend korrigiert werden muss. Wenn die Rückzahlung nicht umgehend erfolgt, ist dies verfassungswidrig und hätte fatale Folgen. Der Pflegeversicherung droht in wenigen Monaten die Zahlungsunfähigkeit.“
Der Bund hatte die Pflegekassen in 2020 gesetzlich verpflichtet, Zahlungen im Rahmen der Pandemiebewältigung an anspruchsberechtigte Pflegeeinrichtungen zu leisten. Finanziert werden mussten diese Maßnahmen vornehmlich aus dem Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung – und damit in erster Linie aus Sozialversicherungsbeiträgen. Diese unterliegen allerdings einer strengen Zweckbindung und dürfen ausschließlich eingesetzt werden, um den Versicherungsschutz der Beitragszahlenden zu gewährleisten. Der Zugriff auf diese Beitragsgelder während der Pandemie war nicht zulässig.
Zu diesem Schluss kommt die Juristin Prof. Dr. Dagmar Felix (Universität Hamburg) in ihrem Gutachten. Demnach seien den Kassen „gesetzliche Zahlungsverpflichtungen auferlegt worden, die nicht der Finanzierung der Sozialversicherung, sondern der Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben dienten“, heißt es darin. Bei dieser Verwendung von Beitragsgeldern für pandemiebedingte Maßnahmen handle es sich um eine verfassungswidrige Zweckentfremdung.
Kosten für Corona-Maßnahmen gesamtgesellschaftliche Aufgabe
„Ein Zugriff auf Sozialversicherungsbeiträge ist verwehrt, weil ansonsten Sozialversicherungsbeiträge zur Finanzierung des allgemeinen Staatshaushalts verwendet würden“, argumentiert Professorin Felix. Dabei gehe es nicht um eine „gerechtere Finanzierung der Kosten der Pandemie“, sondern um eine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Grenzen für den Umgang mit Sozialversicherungsbeiträgen. Die Tests in Pflegeheimen hätten das Ziel gehabt, eine Ausbreitung des Virus in der Gesamtbevölkerung zu verhindern. Mit dem speziellen Risiko der Pflegebedürftigkeit habe die Testung nichts zu tun gehabt. Auch die Kosten der Pflege-Boni als Anerkennungsleistung für besonders belastete Pflegekräfte seien eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Das Gutachten stellt zudem fest, dass Versicherte, einzelne Pflegekassen oder deren Spitzenverband die Möglichkeit hätten, vor den Sozialgerichten gegen die Zweckentfremdung der Beitragsgelder zu klagen.
„Die Bundesregierung hat die rechtlich zwingend gebotene Rückzahlung der aus den Rücklagen der Pflegeversicherung getätigten Corona-Schutzausgaben bislang nicht geleistet“, stellt DAK-Chef Storm fest. „Wenn die erforderlichen Finanzmittel in Höhe von 6 Milliarden Euro noch in diesem Jahr bereitgestellt werden, kann für die Versicherten die drohende Beitragserhöhung zum Jahreswechsel vermieden werden. Durch diese Finanzspritze gewinnen wir auch die erforderliche Zeit, um die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach angekündigte große Pflegereform gründlich vorbereiten zu können. Diese könnte dann 2026 starten.“
Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung war eine Refinanzierung dieser pandemiebedingten Zusatzkosten aus Steuermitteln zugesichert worden. Geflossen ist bislang verteilt auf die Jahre 2020, 2021 und 2022 ein Bundeszuschuss in Gesamthöhe von 5,5 Milliarden Euro. Dieser sollte verhindern, dass im Ausgleichsfonds der Pflegekassen das gesetzliche Rücklagesoll unterschritten wird. Allerdings deckt diese Summe noch nicht einmal die Hälfte der Gesamtkosten ab, die den Kassen durch die Übernahme der pandemiebedingten Sonderbelastungen entstanden sind.
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Rüdiger Scharf
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