Gesundheitsreport 2019: Sucht 4.0: Gravierende Folgen für die Arbeitswelt
16. April 2019. Trinken, Dampfen, Gamen – das Suchtrisiko von Millionen Beschäftigten hat gravierende Folgen für die Arbeitswelt. Der Krankenstand bei betroffenen Erwerbstätigen ist doppelt so hoch. Ferner sind sie häufig unkonzentrierter im Job oder kommen zu spät. Das zeigt der aktuelle DAK-Gesundheitsreport „Sucht 4.0“. Nach der repräsentativen Studie hat jeder zehnte Arbeitnehmer einen riskanten Alkoholkonsum – hochgerechnet betrifft das vier Millionen Menschen. Erstmals untersucht der Report das Thema Computerspielsucht in der Arbeitswelt. Ergebnis: Rund 2,6 Millionen Erwerbstätige haben ein riskantes Nutzungsverhalten. „Auf Grundlage der Ergebnisse brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte zur Suchtproblematik“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Wir fordern ein umfassendes Werbeverbot für Tabak und E-Zigaretten.“ Die Kasse startet auch ein neues Präventionsangebot bei Alkoholproblemen.
Laut DAK-Gesundheitsreport 2019 fehlen Arbeitnehmer mit Hinweisen auf eine so genannte Substanzstörung deutlich öfter im Job als ihre Kollegen ohne auffällige Probleme. Der Krankenstand der Betroffenen ist mit 7,6 Prozent doppelt so hoch. Sie fehlen aber nicht öfter im Job, weil sie wegen ihrer Suchtproblematik krankgeschrieben werden. Vielmehr zeigen sich bei ihnen in allen Diagnosegruppen mehr Fehltage. Besonders deutlich ist der Unterschied bei den psychischen Leiden. Hier sind es mehr als dreimal so viele Fehltage. Bei Muskel-Skelett-Erkrankungen wie Rückenschmerzen gibt es ein Plus von 89 Prozent, bei Atemwegserkrankungen sind es 52 Prozent. Insgesamt gibt es nach der DAK-Studie unter den Erwerbstätigen 6,5 Millionen abhängige Raucher, 400.000 erfüllen die Kriterien einer Internet Gaming Disorder (Computerspielsucht), 160.000 Erwerbstätige sind alkoholabhängig.
Alkohol: Jeder zehnte Arbeitnehmer trinkt riskant
Der Großteil der direkten Krankmeldungen bei Suchtproblemen ist auf Alkohol zurückzuführen (74 Prozent). Laut Studie der DAK-Gesundheit hat jeder zehnte Arbeitnehmer in Deutschland einen riskanten Alkoholkonsum. Damit setzen sich rund vier Millionen Erwerbstätige mit ihrem Trinkverhalten Risiken aus, krank oder abhängig zu werden. „Die
hohe Zahl der Betroffenen ist alarmierend. Der riskante Umgang mit Alkohol bleibt ein zentrales Problem in unserer Gesellschaft, das auch gravierende Folgen in der Arbeitswelt hat“, sagt der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit Andreas Storm. „Sucht ist eine Krankheit, die jeden treffen kann. Wir wollen eine breite und offene Debatte anstoßen. Wir müssen hinsehen, hinhören und handeln, um Betroffene nicht allein zu lassen. Ist es Genuss, Gewohnheit oder bereits Sucht?“ Beim Thema Alkoholprävention fehlen flächendeckende und wirksame Angebote. Die DAK-Gesundheit schließt diese Versorgungslücke ab sofort mit einem neuen Online-Selbsthilfeprogramm bei Alkoholproblemen.
Besonders junge Erwerbstätige trinken riskant: Jeder Sechste zwischen 18 und 29 Jahren ist betroffen. Der Anteil der Beschäftigten dieser Altersgruppe mit riskantem Alkoholkonsum ist fast doppelt so groß wie unter den 40- bis 49-Jährigen. Insgesamt verdeutlicht die Beschäftigtenbefragung im Rahmen des DAK-Reports auch mögliche arbeitsbedingte Risikofaktoren für den Umgang mit Alkohol: So ist der Anteil der Beschäftigten mit einem Alkoholproblem größer, je häufiger sie an der Grenze der Leistungsfähigkeit gearbeitet haben. Auch starker Termin- und Leistungsdruck sowie emotional belastende Situationen bei der Arbeit werden als mögliche Risikofaktoren für einen erhöhten Alkoholkonsum genannt. „Sucht betrifft alle Bereiche unseres Lebens und damit auch stark das Berufsleben“, betont die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler. „Umso wichtiger ist es, dass auch Arbeitgeber offen mit dem Thema Sucht umgehen. Sie müssen ihrer Fürsorgepflicht gerecht werden und Mitarbeiter frühzeitig ansprechen und Hilfe anbieten.“
Folgen für die Arbeitswelt: abgelenkt und zu spät
Die Analyse zeigt die Folgen des Trinkverhaltens für die Arbeitswelt. Je höher der Alkoholkonsum, desto gravierender sind die Auswirkungen:
• Jeder neunte Arbeitnehmer mit riskantem Trinkverhalten gibt an, in den letzten drei Monaten wegen Alkohol abgelenkt oder unkonzentriert bei der Arbeit gewesen zu sein. Bei Erwerbstätigen mit einer möglichen Alkoholabhängigkeit sagt dies fast jeder Zweite (47,3 Prozent).
• 6,8 Prozent der Beschäftigten mit riskantem Alkoholkonsum geben an, deshalb zu spät zur Arbeit gekommen zu sein oder früher
Feierabend gemacht zu haben. Bei Beschäftigten mit einer möglichen Alkoholabhängigkeit sind es 27,2 Prozent.
• 3,8 Prozent der Beschäftigten mit riskantem Alkoholkonsum trinken nach eigenen Angaben Alkohol auch mehrmals pro Monat
oder häufiger bei der Arbeit. Bei Beschäftigten mit einer möglichen Abhängigkeit sind es 17,2 Prozent.
• Bei 1,4 Prozent der Arbeitnehmer mit riskantem Trinkverhalten hat ihr Alkoholkonsum nach eigenen Angaben eine Rolle für eine oder mehrere Krankmeldungen innerhalb des vergangenen Jahres gespielt. Bei Beschäftigten mit einer möglichen Alkoholabhängigkeit sind es 7,2 Prozent.
Computerspiele: 2,6 Millionen Beschäftigte spielen riskant
Erstmals untersucht der Report auch das Thema Gaming und seine Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Demnach spielt mehr als jeder zweite
Erwerbstätige (56,1 Prozent) Computerspiele. 6,5 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland gelten als riskante Gamer. Das heißt: 2,6 Millionen Beschäftigte zeigen auffälliges Nutzungsverhalten. Jeder Vierte von ihnen spielt auch während seiner Arbeitszeit. Vor allem junge Erwerbstätige zwischen 18 und 29 Jahren sowie Männer sind laut DAK-Report riskante Computerspieler (11,6 Prozent und 8,5 Prozent).
Computerspielsucht – jeder Zweite spielt während der Arbeitszeit
Auch das Gamen beeinflusst die Arbeitswelt und die Gesundheit stark:
• Jeder vierte Arbeitnehmer mit riskantem Spielverhalten gibt an, während der Arbeitszeit Computerspiele zu spielen. Bei Erwerbstätigen mit Computerspielsucht sagt das fast jeder Zweite.
• Etwa jeder zehnte Arbeitnehmer mit riskantem Spielverhalten (9,4 Prozent) war in den letzten drei Monaten nach eigenen Angaben wegen des Computerspielens abgelenkt oder unkonzentriert bei der Arbeit. Bei Erwerbstätigen mit einer Computerspielsucht betrifft dies mehr als jeden Dritten (34,1 Prozent).
• 8,6 Prozent der riskanten Gamer kamen wegen ihres Spielens zu spät zur Arbeit oder machten deshalb früher Feierabend. Bei computerspielsüchtigen Beschäftigten sind es 24,8 Prozent.
• Bei 0,7 Prozent der Arbeitnehmer mit riskantem Spielverhalten hat das Spielen eine Rolle für eine oder mehrere Krankmeldungen
innerhalb des vergangenen Jahres gespielt. Bei süchtigen Beschäftigten sind es 9,7 Prozent.
Rauchen ist verbreitetste Sucht
Das Rauchen von Zigaretten ist laut DAK-Report die verbreitetste Sucht, die auch die Arbeitswelt betrifft. 22 Prozent der Erwerbstätigen greifen
zum Glimmstängel. Unter den jungen Erwerbstätigen zwischen 18 und 29 Jahren gibt es mit 16,3 Prozent den geringsten Anteil. Bei den 60- bis 65-jährigen Berufstätigen raucht fast jeder Vierte (23,7 Prozent). Fast jeder zweite Raucher raucht auch während seiner Arbeitszeit, also außerhalb der Arbeitspausen.
Dampfen – nicht ohne Nikotin
Derzeit dampfen rund fünf Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland E-Zigarette. Diese Quote ist über alle Altersgruppen hinweg in etwa gleich. Raucher von E-Zigaretten greifen oft parallel zur herkömmlichen Zigarette, belegt der DAK-Report. Dampfer finden sich deshalb fast ausschließlich unter Rauchern und Ex-Rauchern. Mit 85 Prozent konsumiert die deutliche Mehrheit der Dampfer Liquid mit Nikotin. „Dampfen mit Nikotin oder Tabak führt in die Abhängigkeit, genau wie herkömmliche Zigaretten“, warnt Andreas Storm. „Deshalb brauchen wir endlich ein umfassendes Werbeverbot für Tabak, Zigaretten und E-Zigaretten. Diese Forderung unterstützt auch die Fachgesellschaft der Lungenärzte mit Hinweis auf die Gesundheitsrisiken. Weil E-Zigaretten gesundheitsgefährdende Suchtmittel sind, dürfen sie nicht vom geplanten Tabakwerbeverbot der Bundesregierung ausgenommen werden.“
Mit Blick auf die Ergebnisse des Reports bietet die DAK-Gesundheit ab sofort ein neues präventiv ansetzendes Hilfsangebot bei Alkoholproblemen an – und schließt damit eine Versorgungslücke in Deutschland. Bislang fehlen flächendeckende und wirksame Angebote. Versicherte der Krankenkasse können das kostenlose Online-Coaching „Vorvida“ nutzen, um ihren Alkoholkonsum zu reduzieren. Eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf (UKE) belegt die Wirksamkeit: Bei den Teilnehmern sank das riskante Trinkverhalten um bis zu 75 Prozent. Die DAK-Gesundheit ist die erste Krankenkasse, die das Programm der Hamburger GAIA AG ihren Versicherten anbietet. Das Online-Coaching „Vorvida“ ist auf Smartphones und Tablets mobil voll nutzbar. Es kann auch über die digitale Gesundheitsplattform „Vivy“ genutzt werden. Alle Daten werden
vertraulich behandelt und nicht weitergegeben. Eine Anmeldung ist auf www.vorvida.de/dak möglich.