Selbstbewusst ins Bewerbungsgespräch: Weck das Chamäleon in dir!
Schweißflecken so groß wie Planeten, Tomatengesicht, stottrige Antworten – so sieht deine Horrorvorstellung deines ersten Bewerbungsgesprächs aus? Die gute Nachricht: Es geht viel schlimmer. Die noch bessere: Mit den richtigen Strategien wirkst du im Vorstellungsgespräch souveräner. Eine davon ist der sogenannte Chamäleon-Effekt. Schieb den Stress beiseite und mach's wie das Chamäleon. Wie genau, erfährst du hier.
Was ist der Chamäleon-Effekt?
Das Chamäleon: Es ist nicht besonders süß (außer man hat ein Herz für Echsen) und diese Geschichte mit der Farbänderung ist fast ein bisschen zu angepasst. Man könnte fast sagen: feige. An dieser Stelle müssen wir aber eine Lanze für das Chamäleon brechen. Denn die Vorurteile über das Reptil gehen ein bisschen an der Wahrheit vorbei. Das Chamäleon wechselt seine Farbe nämlich nicht in erster Linie, um sich zu tarnen. Es passt sich so an die Sonneneinstrahlung an und kommuniziert mit Artgenossen. Durch die Farbwechsel teilt es anderen Chamäleons wichtige Infos mit. Wenn es sich fortpflanzen oder einen möglichen Gegner beeindrucken will, stellt es zum Beispiel auffällige Farben und Muster zur Schau.
Beim Chamäleon-Effekt geht es also gar nicht darum, sich unsichtbar zu machen. Es geht darum, seinem Gegenüber etwas mitzuteilen und zu spiegeln. Und damit wären wir an dem Punkt, an dem es für dich interessant wird.
Dein Gespräch mit Personalchef Müller
Wie sitzt Herr Müller da? Hat er die Arme verschränkt, schlägt er die Beine übereinander, lächelt er? Ja? Dann machst du das Gleiche – aber bitte nicht zu offensichtlich! Das ist wichtig. Wenn du sofort die Arme verschränkst, die Beine übereinanderschlägst und Herrn Müller fröhlich angrinst, kommt er sich wahrscheinlich veralbert vor und deine Chamäleon-Technik geht absolut nach hinten los. Lass dir Zeit. Beginne am besten damit, ihn anzulächeln. Irgendwann im Verlauf des Gesprächs schlägst du dann die Beine übereinander, lehnst dich leicht zurück, während du weiter den üblichen Small Talk zum Warmwerden bestreitest. Du weißt schon: Ein paar Kommentare über das Wetter oder den Hinweg.
OK, jetzt brauchst du nur noch die Arme zu verschränken und hin und wieder zu lächeln und nach einer Weile denkt Herr Müller ganz unbewusst: Der oder die ist wie ich – vertrauenswürdig, klug, gewandt, sympathisch. Mit der Zeit kannst du deine Körperhaltung ein bisschen ändern. Öffne die Arme, beug dich ein wenig vor. Folgt er jetzt deinen Bewegungen? Wenn ja, hast du Herrn Müller geknackt. Wenn nein, pass dich wieder seinen Bewegungen an.
Im besten Fall hast du in der Zwischenzeit noch beobachtet, wie schnell oder wie laut Herr Müller spricht, ob er abschweift oder es gerne kurz und knackig mag, sich gewählt ausdrückt oder eher frei Schnauze. Versuch, dich auch hier anzupassen. Wer schnell denkt und spricht, schätzt das auch bei anderen Menschen. Das Gleiche gilt für die Wortwahl. Aber übertreib es nicht. Herr Müller soll nicht denken, dass du ihn nachäffst. Es geht nur darum, einen ähnlichen „Sound“ zu finden und so Harmonie zu schaffen.
Die Harmonie entscheidet
Klingt nach Musik und in gewisser Weise ist es das auch: Je besser euer Sound harmoniert, desto eher habt ihr das Gefühl, auf einer Wellenlänge zu sein, und du und Herr Müller werdet ein Herz und eine Seele. OK, das vielleicht nicht unbedingt. So einfach gestrickt sind wir Menschen zum Glück auch wieder nicht. Aber an der Sache ist was dran: Das Gefühl, ähnlich zu ticken und einander vertrauen zu können, bringt und hält uns zusammen. Mit der Chamäleon-Technik hast du ein ziemlich einfaches Mittel, um eine erste Grundlage für einen guten zwischenmenschlichen Vibe zu schaffen und das ist schon verdammt viel wert.
Hier gilt wie bei allem: Übung macht den Meister. Mach mit Freunden oder Freundinnen ein paar Probeläufe und hol dir hinterher ein ehrliches Feedback ein. Haben sie was gemerkt? Fühlten sie sich wohl oder kamen sie sich von dir veralbert vor? Das Gute ist, dass du für deine Chamäleon-Übungen nichts brauchst außer einen anderen Menschen und ein bisschen Einfühlungsvermögen.
Und was ist mit „authentisch sein“?
Ah ja, stimmt. Da war noch die Sache mit der Authentizität! Ganz nach dem Motto: Verstell dich nicht. Sei ganz du selbst. Mach dein Ding, dann klappt es auch mit Hollywood oder der Fußballkariere oder der Supermodellaufbahn. Ok, legen wir das Poesiealbum der Lebensweisheiten einen Augenblick zur Seite und schauen uns das wirkliche Leben an.
Wir alle, Herr Müller, Filmstars, Profifußballer, Supermodels und (bald auch) du bewegen uns auf zwei Ebenen: dem Privatleben und dem Berufsleben. Im Privatleben ist es ganz wichtig, ehrlich zu sein, andere nicht zu manipulieren und seine wahren Gefühle zu zeigen. Ob in der Liebe oder in Freundschaften ist das die absolute Grundbedingung dafür, dass eine Beziehung lange hält und wirklich vertrauensvoll ist.
Zwischen Beruf und Privatleben
Im Berufsleben dagegen spielen wir eine Rolle. Wir wollen einen guten Job, wir wollen ein gutes Gehalt und einen Chef oder eine Chefin, der oder die uns wertschätzt. Dafür tun wir viel. Wir sind fleißig, ehrgeizig und pünktlich, wir bringen unser Herzblut ein, wir betrügen nicht und verhalten uns professionell. Zur Professionalität gehört das entsprechende Verhalten. Wir alle wissen, dass Herr Müller nicht wirklich daran interessiert ist, was du über das Wetter zu sagen hast oder ob du bei der Hinfahrt in der Bahn stecken geblieben bist. Aber er füllt die Rolle des Chefs aus, der ein bisschen Small Talk betreibt, weil der eben dazugehört. Er trägt ein Jackett, weil er als Chef vermutlich ein Jackett tragen muss. Wäre er in diesem Moment ganz er selbst, würde er vielleicht im Jogginganzug vor dir sitzen und über das Kantinenessen von gestern sinnieren. Aber das tut er nicht. Er ist der Chef und weiß, was von einem Chef erwartet wird.
Du wiederum bist die Bewerberin oder der Bewerber. Du willst den Job – zumindest, wenn Herr Müller im Bewerbungsgespräch alles richtig macht. Also versuchst du, dich in einem möglichst vorteilhaften Licht darzustellen. Natürlich ohne zu lügen oder zu betrügen. Du bedienst dich einfach deiner sozialen Fähigkeiten, die neben deinen ganzen anderen Qualifikationen über deinen Erfolg entscheiden. Das ist nicht falsch oder heuchlerisch, sondern schlichtweg ein authentischer Ausdruck von emotionaler Intelligenz und die solltest du auf jeden Fall nutzen.
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