Bist du tindersüchtig?
Nach links, nach links, nach links, oh, nach rechts, wieder nach links … Tinder eben. Die App, mit der man immer einen Swipe von der großen Liebe, dem kleinen Flirt, dem aufregenden Date oder der heftigen Romanze entfernt ist. Ziemlich spannend das Ganze. So spannend, dass es vielleicht sogar süchtig macht?
Ein bisschen ist Tinder ja wie einer dieser Glücksspielautomaten: Beim nächsten Mal könnte der ganz große Gewinn dabei sein. Und wenn nicht, dann eben beim übernächsten Mal oder beim überübernächsten oder … Ach, lassen wir das lieber, so könnten wir stundenlang weitermachen. Und das tun wir ja auch oft. Gerade in Zeiten von Kontaktbeschränkungen ist Tinder naheliegend. Immerhin kann man in keinen Club, die Schule ist dicht, die Uni auch … Aber das Smartphone hat 24/7 geöffnet, und die heißesten Tinder-Matches warten nur darauf, von dir entdeckt zu werden. Oder darauf, dich zu entdecken – was genauso spannend ist. Flirtmöglichkeiten wie am Fließband, ganz ohne aus dem Haus gehen zu müssen.
Das Geschäft mit dem Kick
Diesen Nervenkitzel kann uns das Real Life nicht einmal in normalen Zeiten bieten. Und genau das versteckt sich hinter dem Erfolgsmodell von Tinder: Das Unternehmen profitiert von unserer Lust auf den schnellen Kick. Daran ist an sich nichts auszusetzen. Natürlich wollen die Anbieter von Dating-Apps Geld verdienen. Im letzten Jahr waren das in Deutschland immerhin 250 Millionen Euro. Jeder Zweite nutzt Apps wie Tinder. Davon sind 50 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer zwischen 18 und 24 Jahren alt. Wie kommt es dazu, dass so viele Lust auf Tinder haben?
Auf der Jagd nach dem Glückshormon
Das Zauberwort hierbei lautet Dopamin. Klingt ein bisschen wie Doping... und damit sind wir auch gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt. Denn Dopamin ist ein Hormon, das unser Körper immer dann ausschüttet, wenn er auf irgendeine Weise belohnt wird. Der Fußballer, der ein Tor schießt, die Schauspielerin, die den Oscar bekommt, der Lottospieler, der gewinnt: Sie alle bekommen eine richtig fette Dosis Dopamin verpasst und fühlen sich wie berauscht vom Glück. Genauso geht es dir, wenn du tinderst. Du jagst also nicht nur dem nächsten Match mit dem süßen Typen oder dem schönen Mädchen hinterher, sondern immer auch der nächsten Dosis Glückshormon.
Ist an sich auch nicht weiter schlimm. Irgendwie sind wir ja alle ständig auf der Suche nach Glück, und wenn wir es mit Tinder finden, so what? Schließlich kann jeder mit seiner Zeit machen, was er will. Aber denken wir mal einen kleinen Moment lang nach und stellen uns ein paar Fragen. Zum Beispiel: Ist Tinder wirklich das optimale Tool, um jemanden kennenzulernen? Also, wirklich kennenzulernen, so im echten Leben. Nicht nur beim rein virtuellen Flirt. Nicht nur, um das Ego damit zu pushen, dass irgendwer irgendwo das eigene Pic sexy findet.
Und: Was ist es, das uns zu Tinder greifen lässt? Ist es vielleicht eher der – klar, ziemlich attraktive – Mix aus Langeweile und der Suche nach ein bisschen Nervenkitzel und Bestätigung? Oder geht es uns wirklich darum, einen echten Menschen im echten Leben zu treffen und sich, wenn es passt, zu verlieben oder zumindest Spaß miteinander zu haben?
Der echte Kick
Echte Gefühle, echte Menschen, echte Begegnungen mit allem, was dazugehört – dem Duft des anderen, dieser Spannung, die in der Luft liegt, wenn man sich gegenübersteht, den Blicken, die man tauscht, der Stimme, die so viel verrät … Wenn es uns um all das geht, wieso gehen wir dann nicht vor die Tür, rein ins Leben? Geht gerade nicht so richtig? Stimmt schon, aber die Kontaktbeschränkungen werden nicht ewig gelten. Spätestens wenn sie vorbei sind, wäre ein guter Augenblick, um endlich wieder den größten, den ehrlichsten Kick zu suchen, den es gibt: das echte Leben.
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