Direkt zum Inhalt

DAK Kinder- und Jugendreport 2024: Gesundheitsrisiko Hitze

Hitze: Kind steht draußen in der Sonne und trinkt aus einer Wasserflasche.

Die World Health Organization (WHO) bezeichnet den Klimawandel als die „größte Gesundheitsbedrohung für die Menschen“. Zwischen den Jahren 2030 und 2050 werden infolge des Klimawandels weltweit 250.000 zusätzliche Todesfälle pro Jahr erwartet. (WHO 2021) Fast jedes zweite Kind weltweit ist dabei nach Schätzung des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen durch die Auswirkungen des Klimawandels „extrem stark gefährdet“. Eingeordnet werden diese Prognosen durch einen von UNICEF herausgegebenen Index, wobei Deutschland den 142. Rang der 163 am stärksten betroffenen Nationen belegt. (United Nations International Children’s Emergency Fund (UNICEF) 2021) Deutschland gilt damit zwar nicht als eines der potenziell am stärksten vom Klimawandel bedrohten Ländern, dennoch spielen Maßnahmen zum Umweltschutz sowie zur nachhaltigen Ausrichtung der Gesundheitsversorgung eine bedeutende gesellschaftspolitische Rolle. 

Die Vulnerabilität von Kindern und Jugendlichen gegenüber Umwelteinflüssen hat viele Ursachen. Sie haben eine längere Lebenserwartung, indem sie über mehr zukünftige Lebensjahre verfügen, sodass sie im Vergleich zu älteren Personen den Auswirkungen des Klimawandels länger ausgesetzt sein werden. Durch eine frühe Exposition im Kindes- und Jugendalter steigt das Risiko, dass sich Erkrankungen im Laufe des Erwachsenenalters herausbilden können, wobei der Zeitversatz zwischen Exposition und Krankheitsentstehung Dekaden umfassen kann. (Landrigan et al. 2004) Beispielsweise können aus einer Exposition gegenüber UV-Strahlung Sonnenbrände resultieren, was das Risiko auf Hautkrebs erhöht. Da bei Kindern die Regulationsfähigkeit der Körpertemperatur noch nicht vollständig ausgebildet ist, schwitzen sie weniger als Erwachsene. Die erhöhte Vulnerabilität von Kindern gegenüber erhöhten Temperaturen durch Flüssigkeitsverlust und Überhitzung ist zudem auf ein geringeres Risikobewusstsein gegenüber hohen Temperaturen zurückzuführen. (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz o. J.) 

Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sichtbar und Versorgungsherausforderungen messbar machen: Mit diesem Anspruch hat die DAK-Gesundheit vor sechs Jahren als erste bundesweit agierende Krankenkasse den Kinder- und Jugendreport veröffentlicht. Insbesondere die Verknüpfung von Erkrankungs- und Versorgungsdaten im Längsschnitt auf Basis von Abrechnungsdaten ist eine große Stärke unserer Analysen. 

Im Zentrum des Kinder- und Jugendreports steht das Diagnose- und Versorgungsgeschehen im Längsschnitt. Der Report schreibt sich kontinuierlich fort und blickt aktuell auf eine zusammenhängende Datenreihe von sechs Jahren, welche das vollständige ambulant-ärztliche, therapeutische und stationäre Leistungsgeschehen der Jahre 2017 bis 2022 umfasst. Der Report umfasst dabei repräsentative Daten von fast 800.000 Kindern im Alter von 0 bis 17 Jahren. Dies ermöglicht nicht nur einen detaillierten Blick auf Erkrankungs- und Versorgungsschwerpunkte und deren zeitliche Entwicklung, sondern auch die Untersuchung regionaler Unterschiede.

Im Mittelpunkt der Analysen stehen aktuelle Fragestellungen zur Gesundheit und Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen. Der DAK-Kinder- und Jugendreport ermöglicht es, die besonders schutzbedürftige Gesundheit von Kindern und Jugendlichen thematisch breit darzustellen, sodass diese u. a. in Verbindung mit Themen des Klimawandels gebracht werden kann. Der Klimawandel stellt dabei nicht nur eine zukünftige Herausforderung für die Menschheit dar; seine Auswirkungen sind seit Jahren beobachtbar und prägen bereits das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Analyseschwerpunkt dieser ersten Aufarbeitung des Themas „Kinder- und Jugendgesundheit im Kontext von Umwelt und Klima“ sind potenzielle Assoziationen zwischen der Entwicklung von Temperatur und dem Auftreten bzw. dem Verlauf von Atemwegserkrankungen, die bei Kindern und Jugendlichen zwischen 2017 und 2022 diagnostiziert wurden. Das Ziel dieser Analyse besteht darin, die Entwicklung der Erkrankungshäufigkeiten und Leistungsinanspruchnahmen von Kindern und Jugendlichen mit ausgewählten Atemwegserkrankungen im Kontext der Entwicklung von hohen (Extrem-)Temperaturen zu betrachten.

Kernergebnisse der Fokusanalyse

  • Die Diagnosezahl von Atemwegserkrankungen bei 0- bis 17-Jährigen variiert insb. in Abhängigkeit von dem Alter der Kinder und Jugendlichen sowie in Abhängigkeit von ihrem Wohnort und der damit verbundenen Exposition gegenüber verschiedenen Umweltfaktoren.
  • Unabhängig von Umwelteinflüssen werden Jungen häufiger aufgrund von bzw. mit Atemwegserkrankungen ärztlich behandelt als gleichaltrige Mädchen.
  • Für ein gesundes Aufwachsen sollte die Exposition von Kindern gegenüber erhöhter Temperatur in der Gestaltung des Lebensalltages berücksichtigt werden, denn Hitzeschutz ist Gesundheitsschutz.
  • Unabhängig von beobachteten Assoziationen ist die Aufbereitung der Umweltdaten und Verknüpfung mit Gesundheitsdaten der DAK-Gesundheit ein hoher Wert an sich, um ein fortlaufendes Monitoring zu etablieren.

Detailergebnisse Kinder-/Jugendgesundheit und Temperaturbelastung

Die Jahresdurchschnittstemperatur variiert innerhalb von Deutschland sowie im Jahresvergleich (s. Abbildung 1).

DAK Kinder- und Jugendreport 2024: Grafik zu Jahresdurchschnittstemperaturen (°C) in Deutschland zwischen 2017-2022.

Auch die Temperaturhöchstwerte eines Jahres sind ungleichmäßig verteilt. Die meisten „heißen Tage“ (TmaxTag ≥ 30°C) wurden deutschlandweit im Jahr 2018 (69 heiße Tage), gefolgt von dem Jahr 2022 (66 heiße Tage) gemessen. Die höchsten Vorkommen von Tropennächten (TmaxNacht ≥ 20°C) entfallen ebenso auf die Jahre 2018 (23 Tropennächte) und 2022 (24 Tropennächte). Die folgende Abbildung 2 verdeutlicht zudem, dass die Intensität der Hitzebelastung geografisch variiert.
 

DAK Kinder- und Jugendreport 2024: Grafik zur Anzahl heißer Tage und Tropennächte in Deutschland zwischen 2017-2022.

Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass bereits ab einer Tageshöchsttemperatur von 25°C das Risiko, aufgrund von hitzebedingten Schäden (Sonnenstiche, Hitzekrämpfe oder Erschöpfungssymptome) ärztlich behandelt zu werden, altersunabhängig um das 6,7-fache ansteigt. Die folgende Abbildung 3 visualisiert diese Assoziation. An Hitzetagen (ab 30°C Tageshöchsttemperatur) steigt das Risiko, aufgrund hitzebedingter Schäden ärztlich behandelt zu werden, altersunabhängig um das 7,7-fache an.

DAK Kinder- und Jugendreport 2024: Grafik zur ärztlichen Behandlungen in Folge von Hitze-/Sonnenlichtschäden.

Ab einer Tageshöchsttemperatur von 25°C steigt das Risiko, aufgrund der Folgen einer Pollenallergie (insb. Heuschnupfen) im Krankenhaus behandelt zu werden, altersunabhängig um 57% an (Abbildung 4).

DAK Kinder- und Jugendreport 2024: Grafik zu Krankenhausaufenthalten aufgrund der Folgen einer Pollenallergie.

An Hitzetagen steigt bei Neugeborenen und Säuglingen das Risiko, aufgrund von einer gestörten Atmung (akute Atemnot, anstrengendere Atmung) ärztlich behandelt zu werden, um 14% an. Binnen einer Woche nach einem Hitzetag ist das Risiko bei dieser Personengruppe, aufgrund von Atmungsstörungen im Krankenhaus behandelt zu werden, um 21% erhöht (Abbildung 5).

DAK Kinder- und Jugendreport 2024: Grafik zu Krankenhausaufenthalten in Folge von Atmungsstörungen.

Die Forsa-Befragung zum Themenkomplex „Hitze und Klimawandel/Klimaschutz“ ergab zudem, dass drei Viertel der Kinder von hitzebedingten Beschwerden innerhalb der letzten sechs Jahre berichten. 13% der Kinder suchten aufgrund von hitzebedingten Beschwerden einen Arzt auf. Ein Fünftel der Kinder fühlt sich (eher) schlecht zu Hitzeschutzmaßnahmen informiert. Ein Viertel der Kinder sorgt sich um Gesundheitsschäden durch wiederkehrende Hitzeperioden und die Hälfte der Kinder bewerten die Klimaschutzaktivitäten von Gesellschaft, Politik, Industrie und Schulen als unzureichend.


Gesundheitsrisiko Luftbelastung

Fokusanalyse im Kontext des Kinder- und Jugendreports 2024

Downloads: Report und Ergebnisbericht

Datengrundlage und Methodik

Für die vorliegenden Analysen wurden bundesweite anonymisierte Abrechnungsdaten aller im Zeitraum zwischen 2017 und 2022 bei der DAK-Gesundheit versicherten Kinder und Jugendlichen ausgewertet. Dem zugrunde liegen alle zu Abrechnungszwecken dokumentierten Versicherungs- und Leistungsdaten. Diese umfassen Informationen zur:

  • Mitgliederstatistik (Stammdaten)
  • stationären Versorgung (§ 301 Abs. 1 SGB V)
  • vertragsärztlichen Versorgung (§ 295 Abs. 2 SGB V)
  • Arzneimittelversorgung (§ 300 Abs. 1 SGB V)
  • Vorsorge und stationären Rehabilitation (§ 301 Abs. 4 SGB V)
  • Heilmittelversorgung (§ 302 SGB V)
  • Hilfsmittel (§ 302 SGB V)
  • Arbeitsunfähigkeit (der Eltern, § 295 Abs. 1 SGB V)

Diese Daten geben Auskunft über die zulasten der GKV abgerechneten Leistungen. Nicht berücksichtigt werden folglich individuelle Gesundheitsleistungen oder sonstige privat abgerechnete Leistungen, die nicht von der GKV erstattet werden.

Der vorliegende Report basiert auf einer Vollerhebung aller bei der DAK-Gesundheit versicherten Kinder und Jugendlichen im Alter von 0 bis 17 Jahren. Zur Beschreibung der Diagnosehäufigkeit und Leistungsinanspruchnahme werden Altersgruppen gebildet. Diese orientieren sich in Teilen an Altersgruppen, die auch in Berichten des Statistischen Bundesamtes Verwendung finden. Im Kern werden Neugeborene und Säuglinge (<1 Jahr), Kleinkinder und Kinder im frühen Kindesalter (1 bis 4 Jahre), Grundschulkinder (5 bis 9 Jahre), Schulkinder (10 bis 14 Jahre) und Jugendliche (15 bis 17 Jahre) differenziert.

Das analysierte Krankheitsgeschehen umfasst als kumulierte Querschnittsanalyse der Jahre 2017 bis 2022 Abrechnungsdaten von jeweils knapp 800.000 Kindern aus den Geburtsjahrgängen 2004 bis 2020. Für das Jahr 2022 entspricht dies einer Stichprobe von 5,7% aller in Deutschland lebenden Kinder im Alter von 0 bis 17 Jahren. Der Report ist damit die größte systematische Analyse zur Kindesgesundheit in Deutschland. Je Bundesland bildet der DAK Kinder- und Jugendreport zwischen 2,9% (Sachsen) und 10,3% (Brandenburg) aller dort lebenden Kinder und Jugendliche ab. Kinder aus neuen Bundesländern sind unter DAK-Versicherten im bundesweiten Vergleich leicht überrepräsentiert.

Die Gesundheitsdaten wurden durch eine zweite Analyse um Daten zur Entwicklung der Temperatur ergänzt. Um die Umweltfaktoren zu erfassen, werden die öffentlich zugänglichen Daten des Deutschen Wetterdienstes verwendet. Die tagesbezogenen Daten zu den Erkrankungen und zu den Umweltfaktoren werden im Rahmen einer dritten Analyse durch das gemeinsame Raumordnungskennzeichen auf Kreisebene aneinander gespielt. Aufgrund der komplexen Thematik müssen diverse Störvariablen berücksichtigt werden. Um diesen Limitationen gerecht zu werden, kann diese Analyse nur Aussagen zur Assoziation zwischen Gesundheits- und Umweltfaktor treffen (bzw. können keine Aussage zu Kausalitäten abgeleitet werden).

Zudem wurde eine quantitative Befragung von 1.219 Kindern im Alter von 10 bis 17 Jahren und deren Eltern zu ihren Erfahrungen mit Hitze- und Luftbelastung durchgeführt. Abbildung 6 fasst die Vorgehensweise der mehrstufigen Analyse zusammen.

DAK Kinder- und Jugendreport 2024: Grafik zur schematischen Beschreibung der Analyse.

Literaturverzeichnis

  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (o. J.): Ratgeber für Kitas, Grundschulen und Eltern: Hitze, UV-Strahlung, Luftschadstoffe, Allergene, Mücken und Schildzecken. Online verfügbar unter https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaanpassung/ratgeber_verhalten_hitze_kitas_bf.pdf, zuletzt geprüft am 15.04.2024.
  • Landrigan, Philip J.; Kimmel, Carole A.; Correa, Adolfo; Eskenazi, Brenda (2004): Children's health and the environment: public health issues and challenges for risk assessment. In: Environmental health perspectives 112 (2), S. 257–265.
  • United Nations International Children’s Emergency Fund (UNICEF) (2021): The climate crisis is a child rights crisis. Online verfügbar unter https://www.unicef.org/media/105376/file/UNICEF-climate-crisis-child-rights-crisis.pdf, zuletzt geprüft am 29.08.2023.
  • WHO (2021): Climate change and health. Online verfügbar unter https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/climate-change-and-health, zuletzt geprüft am 28.08.2023.
Updated on:
040 325 325 555

Rund um die Uhr und zum Ortstarif