DAK-Pflegereport 2019: Kosten der Pflege – Bilanz und Reformbedarf
- Neue Finanzarchitektur entlastet Pflegebedürftige langfristig
- Steigender Steuerzuschuss für gesamtgesellschaftliche Aufgaben
- Report der DAK-Gesundheit zeigt Reformbedarf nach 25 Jahren Pflegeversicherung
Pflegereform: DAK-Konzept deckelt Eigenanteile bis 2045
25 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung fordert die DAK-Gesundheit eine grundlegende Sozialreform. In ihrem "Pflegereport 2019” legt die Krankenkasse ein detailliertes Konzept zur langfristigen Entlastung der Pflegebedürftigen vor. Durch eine neue Finanzarchitektur mit steigenden Steuerzuschüssen könnten die Eigenanteile der Versicherten bis zum Jahr 2045 gedeckelt werden. Das Ziel ist eine faire Lastenverteilung zwischen Beitragszahlern, Steuerzahlern und Pflegebedürftigen. Erste konkrete Modellrechnungen halten eine Eigenbeteiligung von im Bundesdurchschnitt rund 450 Euro monatlich mit dynamischer Entwicklung für möglich. Im Gegenzug wird eine stufenweise Steuerfinanzierung bis 25 Prozent der Leistungsausgaben vorgeschlagen. Laut DAK-Pflegereport unterstützt auch die Mehrheit der Bevölkerung eine Begrenzung der Eigenanteile und eine Finanzierung aus Steuermitteln. Fast 80 Prozent der Befragten befürchten den Verlust sämtlicher Ersparnisse, wenn sie im Heim gepflegt werden müssen.
„Aktuell verfehlt die Pflegeversicherung ihren Gründungsgedanken, die Menschen im Pflegefall vor einem Armutsrisiko zu bewahren und die Kosten der Pflege fair zwischen Beitragszahlern, Steuerzahlern und Pflegebedürftigen zu verteilen”, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Ordnungspolitisch brauchen wir für die kommenden 25 Jahre eine völlig neue Finanzstatik in der Pflege.” Erforderlich sei eine grundlegende Reform mit einer Mischfinanzierung aus Beitragseinnahmen und Steuerzuschüssen. „Wie das Kindergeld ist auch das Pflegegeld eine Sozialleistung mit gesamtgesellschaftlichem Charakter, der eine Steuerfinanzierung rechtfertigt”, betont Storm.
Eigenbeteiligung 450 Euro monatlich mit dynamischer Entwicklung
Im Reformkonzept der DAK-Gesundheit ist ein sogenannter Sockel-Spitze-Tausch Herzstück einer neuen Pflegeversicherung. Anders als bisher erhielten Pflegebedürftige mehr finanzielle Sicherheit, indem ihre Eigenanteile gedeckelt würden. Hierfür hat der Bremer Professor für Gesundheitsökonomie Heinz Rothgang für die Krankenkasse erstmals konkrete Modellrechnungen bis zum Jahr 2045 erstellt. Hierbei wird mit einem Sockelbetrag der Eigenbeteiligung von im bundesweiten Durchschnitt 450 Euro im Monat gestartet. Die Eigenanteile würden dann entsprechend der Lohnentwicklung dynamisch steigen. „Im Vergleich zu
anderen Szenarien würden die finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen in absoluter Höhe geringer ausfallen“, sagt Rothgang. „Das Modell mit einem durchschnittlichen Sockelbetrag von 450 Euro ist daher eher geeignet, Sozialhilfeabhängigkeit zu vermeiden.“ Ohne Reformen gäbe es nach Rothgangs Berechnungen für die Pflegebedürftigen doppelt bis dreifach so hohe Eigenanteile wie heute. DAK-Vorstandschef Storm betont: „Durch unser Modell explodieren weder Eigenanteile noch Beitragssätze.”
Länderspezifische Eigenanteile notwendig
Die Eigenanteile, die Pflegebedürftige für die Pflege im Heim zahlen müssen, sind je nach Bundesland sehr unterschiedlich. Sie lagen im ersten Quartal 2019 zwischen 274 Euro in Thüringen und 925 Euro in Baden-Württemberg. Der Bundesschnitt betrug 662 Euro. Um Pflegebedürftige unabhängig von ihrem Wohnort zu entlasten, schlägt die DAK-Gesundheit zunächst unterschiedlich gedeckelte Eigenanteile je Bundesland vor, um schrittweise bis zum Jahr 2045 einen einheitlichen Wert zu erreichen. Um eine Lösung für die unterschiedlichen Belastungen in den 16 Bundesländern zu entwickeln, plädiert Andreas Storm zur Umsetzung der Pflegereform für eine gemeinsame Kommission von Bund und Ländern.
Steuerzuschuss steigt auf 25 Prozent der Leistungsausgaben
Die Realisierung der Pflegereform ist aus Sicht der DAK-Gesundheit durch eine langsam steigende Steuerfinanzierung möglich. Nach dem Vorschlag der Krankenkasse könnte im Jahr 2021 mit der schrittweisen Einführung eines Steuerzuschusses in Höhe von zunächst einer Milliarde Euro begonnen werden. Bis zum Jahr 2025 soll der Zuschuss schrittweise auf fünf Milliarden Euro steigen, was dann zehn Prozent der Jahresausgaben in der Pflegeversicherung entspräche. In kleinen Schritten ist dann eine stufenweise Erhöhung geplant, die im Jahr 2045 bis zu 25 Prozent der Leistungsausgaben abdeckt. Nach heutigem Stand entspräche dies einer Summe von rund 18,3 Milliarden Euro.
DAK-Pflegereport: Bevölkerung hat finanzielle Ängste
Eine Begrenzung der Eigenanteile und die Finanzierung der Mehrkosten aus Steuermitteln würden auch von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Das zeigt der aktuelle DAK-Pflegereport 2019 “25 Jahre Pflegeversicherung: Kosten der Pflege – Bilanz und Reformbedarf”. Nach einer repräsentativen und aktuellen Bevölkerungsumfrage durch das Institut für Demoskopie in Allensbach gibt es dringenden Reformbedarf. Obwohl drei Viertel der Befragten die Pflegeversicherung für sinnvoll halten, haben viele Menschen finanzielle Ängste. Fast 80 Prozent der Befragten befürchten, dass sie trotz Pflegeversicherung bei einer Pflege
im Heim sämtliche Ersparnisse verlieren würden. Vier von zehn Befragten sehen eine “sehr starke Belastung” durch Pflegekosten. „Es öffnet sich ein politisches Opportunitätsfenster für eine dringend erforderliche Struktur- und Finanzierungsreform der Pflegeversicherung, die auch von der Bevölkerung erwartet wird“, sagt Pflegeexperte Professor Thomas Klie von der Evangelischen Hochschule Freiburg als Autor des DAK-Pflegereports. „Die Pflegeversicherung kann ihr Versprechen, das Armutsrisiko bei Pflegebedürftigkeit zu begrenzen, in der Zukunft nicht mehr einlösen. Die nächste Bundesregierung kann und darf dem Thema nicht ausweichen.“
Mehrheit für Steuerfinanzierung von Mehrkosten
Laut DAK-Pflegereport rechnet fast die Hälfte der Befragten in Zukunft mit deutlich steigenden Pflegebeiträgen. Allerdings wären nur 24 Prozent von ihnen bereit, künftig selbst höhere Beiträge für die Pflegeversicherung zu zahlen. Dreiviertel der Befragten sprechen sich für Reformmodelle aus, bei denen die Eigenanteile für die Pflege im Heim begrenzt werden. 58 Prozent sind der Meinung, dass die Mehrkosten für die Pflegeversicherung aus Steuermitteln finanziert werden sollten. Fast jeder Zweite kann sich auch eine Vollversicherung vorstellen.
Rund 3,7 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Etwa ein Viertel davon wird stationär im Pflegeheim betreut. Die Ausgaben der Pflegeversicherung sind zwischen 2015 und 2018 von 29 auf 41 Milliarden Euro gestiegen.