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Sepsis: Symptome erkennen und richtig handeln

Sepsis: Junge Frau liegt im Krankenhausbett und wird durch den Flur geschoben

Sepsis, umgangssprachlich als Blutvergiftung bekannt, ist hierzulande eine der häufigsten Todesursachen. Bereits vermeintlich kleine Infektionen – ein Harnwegsinfekt, ein entzündeter Mückenstich, ein Schnitt am Fuß– können zu einer Sepsis führen. Und: Es kann auch junge gesunde Menschen treffen. Eine Sepsis ist immer lebensbedrohlich und muss daher schnellstmöglich behandelt werden. 

PD Dr. med. habil. Matthias Gründling, Leiter vom SepsisDialog der Universitätsmedizin Greifswald, erklärt im Interview, was eine Sepsis ist und wie Sie sie erkennen. Denn: Wird schnell gehandelt, lässt sich in vielen Fällen ein Leben retten. 


Laien bezeichnen sie oft als Blutvergiftung – Was ist eine Sepsis?

Dr. Gründling: „Eine Sepsis ist eine außer Kontrolle geratene Immunabwehr einer Infektion. Sie führt zu Organversagen und ist damit ein lebensbedrohlicher Notfall.

Dr. Matthias Gründling, Leiter SepsisDialog, Universitätsmedizin Greifswald

Die normale Abwehr im Körper funktioniert so: Angenommen man hat eine eitrige, rote Wunde am Nagelbett, dann gehen Immunzellen und Botenstoffe dorthin und wehren die Infektion ab. Manchmal klappt das gut von allein, manchmal muss man ein Antibiotikum geben, um die Infektion in den Griff zu bekommen. Aber: Es gibt auch Fälle, in denen das Ganze außer Kontrolle gerät. Das bedeutet, die Immunzellen und Botenstoffe werden überschießend gebildet und richten sich gegen den ganzen Körper; am Ende kommt es zu Organversagen. Das ist eine Sepsis. Und die kann schon innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen auftreten.“

Was kann eine Sepsis auslösen?

Dr. Gründling: „Die häufigste Ursache einer Sepsis ist die Lungenentzündung, gefolgt von Harnwegsinfektionen und Infektionen im Bauchraum – diese drei machen rund 70 bis 80 Prozent der Ursachen aus. Auch Infektionen im Gelenk, am zentralen Nervensystem oder Infektionen nach kleineren Verletzungen – Schnitte oder aufgekratzte Stiche zum Beispiel – können eine Sepsis auslösen. Das ist aber relativ selten.“

Wie eine Sepsis abläuft und wie Betroffene sie erlebt haben – #DeutschlandErkenntSepsis

Wie erkenne ich eine Sepsis? Was sind typische Symptome?

Dr. Gründling: „Die Symptome einer Sepsis sind sehr unspezifisch und ähneln oft denen anderer Krankheiten. Ein Beispiel: Ist jemand schläfrig, durcheinander oder nicht mehr orientiert, kann das auch auf einen Schlaganfall oder eine Vergiftung hindeuten. Oder: Hohes Fieber und schnelle Atmung treten auch bei der normalen Grippe auf. Insbesondere für Laien kann es also sehr schwierig sein, eine Sepsis zu erkennen.

Betroffene, die eine Sepsis überlebt haben, berichten davon, dass sie sich so sterbenskrank gefühlt haben wie noch nie zuvor. Ein solches extremes Krankheitsbild ist zwar an sich auch schwer zu greifen, Sie sollten dann aber den Notarzt rufen. Das gilt auch dann, wenn Sie an der Person Zeichen von beginnendem Organversagen feststellen: sie ist schläfrig und durcheinander, die Nieren scheiden nicht mehr richtig aus oder die Person wird blau, weil die Lunge versagt. Ein Mythos ist dagegen, dass man eine Sepsis an einem roten Strich erkennt, der von einer Wunde zum Herzen läuft.“


So erkennen Sie eine Sepsis

Hilfreich kann die Sepsis-Checkliste auf der Seite zur Kampagne „Deutschland erkennt Sepsis“ sein.

Wählen Sie den Notruf 112, wenn Sie Anzeichen für eine Sepsis feststellen.

Wer hat ein erhöhtes Risiko?

Dr. Gründling: „Von einer Sepsis häufig betroffen sind zum Beispiel ältere Menschen, die oft Vorerkrankungen haben. Außerdem solche mit einer gestörten Immunabwehr, zum Beispiel Tumorpatienten, die eine Chemotherapie bekommen, oder Rheumapatienten, die Kortisonpräparate einnehmen, die die Immunabwehr herabsetzen. Zu Risikopatienten gehören auch chronisch Kranke und Diabetiker, die offene Wunden haben oder Menschen, die oft Kanülen im Körper haben wie Dialysepatienten.

Aber – und das ist wichtig: Es kann jeden anderen auch treffen, ohne dass man eine Idee hat, warum. Zum Beispiel kann auch bei einer jungen gesunden Frau mit einem vermeintlich harmlosen Harnwegsinfekt die Immunabwehr außer Kontrolle geraten. Eine Sepsis kann sich auch in einem solchen Fall schon innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen entwickeln. Das hängt sowohl vom Menschen, vom Körper ab – wie gut kann der die Infektion abwehren? Neigt er zu einer überschießenden Immunreaktion? Und auch vom Keim, also von der Menge und Art der Bakterien.“

Kann ich eine Sepsis verhindern?

Dr. Gründling: „Vor einer Sepsis kann man sich nicht direkt schützen. Ein Irrglaube ist, dass eine Tetanusimpfung eine Sepsis verhindert. Aber man kann Infektionen vorbeugen. So sollten Sie kleinere Wunden schnell desinfizieren. Impfungen gegen Pneumokokken etwa oder eine Grippe- und Covid-Impfung können ebenfalls schlimme Infektionsverläufe verhindern und sind somit wertvolle Hilfsmittel, um einer Sepsis vorzubeugen. Als Prophylaxe gilt auch eine gesunde Lebensweise, die ausreichend Bewegung und eine ausgewogene Ernährung beinhaltet. Das stärkt das Immunsystem.

Bei Patienten im Krankenhaus ist die Prophylaxe auch sehr wichtig, um eine Sepsis zu verhindern, zentral ist etwa die Hygiene: Erreger dürfen nicht über die Hände von einem Patienten zum anderen übertragen werden.“

Wie wird eine Sepsis behandelt?

Dr. Gründling: „Die Behandlung ist recht einfach – es gibt zwar kein Super-Medikament, aber letztlich liegt die Lösung immer darin, den Infektionsherd in den Griff zu bekommen. Und das nimmt man mit bekannten Mitteln wie Antibiotika und, wenn nötig, einer Operation in Angriff. Ist zum Beispiel der Darm geplatzt und der Bauchraum entzündet, muss man operieren und den Infektionsherd sanieren.

Aber erst einmal muss das medizinische Personal diagnostizieren, denn trotz der Anzeichen ist es zunächst nur ein Verdacht auf Sepsis. Eine genaue Diagnostik wird in der Klinik vorgenommen, manches auch schon im Rettungswagen: Der Patient wird genau untersucht, seine Organfunktionen werden überprüft und der Körper auf einen Infektionsherd abgesucht. Außerdem wird Blut abgenommen, um Entzündungswerte und die Bakterienkultur zu bestimmen. Je nach Fall ist auch eine Computertomographie angebracht, etwa von der Lunge oder dem Bauch. Das ist die Diagnostik.

Dann kommt die Therapie, also die Behandlung mit einem Antibiotikum und eventuell eine Operation. Und dann muss man den Allgemeinzustand des Patienten verbessern, indem man etwa die Atmung und den Kreislauf stabilisiert und Flüssigkeit gibt.“


Dr. Matthias Gründling zu Nachsorge und Reha bei Sepsis – #DeutschlandErkenntSepsis


„Deutschland erkennt Sepsis“

Sepsis ist hierzulande eine der häufigsten Todesursachen. Die Kampagne „Deutschland erkennt Sepsis“ informiert bundesweit über das Krankheitsbild, das landläufig als Blutvergiftung bekannt ist.
Ziel ist, die Bevölkerung aufzuklären und zu sensibilisieren, damit die Menschen eine Sepsis als medizinischen Notfall erkennen und entsprechend handeln können. Ähnlich wie Symptome eines Herzinfarkts oder eines Schlaganfalls für viele bekannt sind, muss das auch für das Krankheitsbild Sepsis gelten. Pflegende Angehörige etwa unterstützt die Kampagne mit Schulungsvideos zu Sepsis.

World Sepsis Day 2023 in Berlin - weitere Informationen finden Sie hier:

Autor(in)

DAK Onlineredaktion

Qualitätssicherung

Dr. Matthias Gründling

Leiter SepsisDialog, Universitätsmedizin Greifswald

Aktualisiert am:
040 325 325 555

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