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Hessen: Immer mehr Mädchen mit Angststörungen im Krankenhaus

Frankfurt, 20. Juli 2023. Kinder und Jugendliche in Hessen sind durch anhaltende Krisen weiter stark psychisch belastet. Vor allem Mädchen sind betroffen. So wurden 2022 rund doppelt so viele Teenagerinnen zwischen 15 und 17 Jahren mit einer Angststörung in Kliniken versorgt als im Vor-Corona-Jahr 2019. Das war ein neuer Höchststand. Auch die Behandlungszahlen bei Essstörungen und Depressionen nahmen deutlich zu. Das zeigt eine Sonderanalyse zur stationären Behandlung psychischer Erkrankungen im DAK-Kinder- und Jugendreport für Hessen. Mediziner sehen wachsende Zukunftsängste bei jungen Menschen und warnen vor einer „Mental-Health-Pandemie“ durch Seelenleiden. DAK-Landeschefin Britta Dalhoff fordert eine Präventionsoffensive zur Stärkung der psychischen Gesundheit.

Für die aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 88.000 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in Hessen versichert sind. Analysiert wurden Krankenhausdaten aus den Jahren 2018 bis 2022. Es ist die erste umfassende Analyse von Klinikbehandlungen für das vergangene Jahr.

„Die massive Zunahme von schweren Ängsten und Depressionen bei Mädchen ist alarmierend. Unsere Auswertung zeigt, dass die anhaltenden Krisen die junge Generation stark belasten“, sagt Britta Dalhoff, Landeschefin der DAK-Gesundheit in Hessen. Psychische Erkrankungen sind für Familien, aber auch für die gesamte Gesellschaft eine große Herausforderung. Die hessische Landesregierung hat das Problem erkannt und nach Lösungsansätzen gesucht. Das Unterrichtsprogramm „Psychische Gesundheit und Schule“ beispielsweise unterstützt die Förderung der psychischen Gesundheit junger Menschen. Dies ist allerdings nur ein erster Schritt. Wir brauchen eine breite Präventionsoffensive in Schulen, Vereinen und Verbänden, um Familien zu unterstützen.“

Angststörungen und Depressionen: neue Höchstwerte bei jugendlichen Mädchen
2022 wurden bei jugendlichen Mädchen in Hessen neue Höchstwerte bei stationär versorgten Angststörungen und Depressionen erreicht: Hochgerechnet auf alle Jugendlichen in der Altersgruppe 15 bis 17 kamen 2022 in Hessen rund 750 Mädchen mit einer Angststörung ins Krankenhaus. Das entspricht einem Anstieg von 102 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019.

Auch bei Depressionen erreichten die Behandlungszahlen 2022 bei jugendlichen Mädchen einen Höchstwert: 1.350 Teenagerinnen mussten aufgrund von Depressionen in hessischen Kliniken versorgt werden. Das entspricht einem Anstieg von 72 Prozent im Vergleich zu 2019.  Bei Essstörungen nahmen die Krankenhausbehandlungen jugendlicher Mädchen um 34 Prozent zu: Rund 300 jugendliche Mädchen waren betroffen.  

„Wir befinden uns mitten in einer Mental-Health-Pandemie, deren Auswirkungen erst nach und nach sichtbar werden. Das zeigt sich bereits jetzt besonders im Bereich der Angststörungen und der Essstörungen“, sagt Prof. Dr. med. Christoph U. Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Berliner Charité als Bewertung der neuen DAK-Sonderanalyse.

„Die Pandemiesituation hat nachhaltig negative Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit junger Menschen, die sich in Zukunftsangst manifestiert“, so Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). „Hier wirken jedoch sicherlich Faktoren zusammen. Neben der Pandemie sind dies der Ukrainekrieg sowie die Angst um die wirtschaftliche Zukunft und um unseren Planeten Erde. Das muss der Politik klar sein. Es ist Aufgabe der Politik, junge Menschen durch verantwortliches Handeln wieder zukunftssicherer zu machen.“

Gender Gap: Warum leiden Mädchen besonders?
Die DAK-Sonderanalyse zeigt, dass Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren häufiger aufgrund psychischer Erkrankungen in Kliniken sind als Jungen. Drei Beispiele verdeutlichen diesen Gender Gap auch für Hessen: Von hochgerechnet 900 Jugendlichen, die mit einer Angststörung stationär behandelt wurden, waren 750 Mädchen. 350 Jugendliche kamen mit einer Essstörung ins Krankenhaus, davon waren 300 weiblich. Von 1.650 Jugendlichen mit einer stationären Behandlung aufgrund von Depressionen waren 1.350 Mädchen. Bei Schulkindern im Alter zwischen zehn und 14 Jahren zeigt sich ein ähnliches Bild.

„Mädchen neigen eher zu internalisierenden psychischen Störungen als Jungen. Sie ziehen sich beispielsweise mit Depressionen und Ängsten eher in sich zurück. Bei Jungen sind externalisierende Störungen häufiger zu beobachten. Jungen zeigen tendenziell häufiger ein Verhalten, das nach außen gerichtet ist, also zum Beispiel aggressive Verhaltensmuster. Dass dies durch die Pandemiesituation nochmals verstärkt worden ist, ist unbestritten,“ sagt BVKJ-Präsident Fischbach. „Depressionen, Angst- und Essstörungen sind häufig in stationärer Behandlung, während gerade die Verhaltens- und emotionalen Störungen im ambulanten Bereich versorgt werden.“

„Wo sind die Jungen?“ fragt Prof. Correll beim Blick auf die Auswertung. „Wir müssen die Analyse der ambulanten Daten abwarten, um zu schauen, ob hier steigende Behandlungszahlen von Jungen zu finden sind und bei welchen Erkrankungen. Es liegt aktuell die Vermutung nahe, dass Jungen eventuell durch das Raster fallen und uns verloren gehen.“

Weniger Klinikbehandlungen im vergangenen Jahr
Insgesamt wurden 2022 weniger Kinder und Jugendliche mit psychischen oder Verhaltensstörungen in Kliniken behandelt als vor der Corona-Pandemie. Werden alle sogenannten F-Diagnosen, also Diagnosen, die psychische und Verhaltensstörungen beschreiben, zusammengefasst, ergibt dies 2022 bei Jugendlichen in Hessen einen Rückgang von 15 Prozent im Vergleich zu 2019. Damit entspricht Hessen dem Bundestrend.

„Die Begründung für den Rückgang der Behandlungszahlen im Bereich psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen ist wahrscheinlich auf die Covid-Pandemie zurückzuführen. Wir hatten in deutschen Kliniken schlicht weniger Kapazitäten zur Verfügung“, sagt Prof. Correll. „Während des Pandemie-Verlaufs mussten wir durch Covid-Infektionen Bettenkapazitäten reduzieren und auch mit weniger Personal aufgrund von Krankheitsausfällen agieren. Das führte auch dazu, dass vor allem schwerere Fälle stationär behandelt worden sind. Vor diesem Hintergrund ist der Anstieg von Angststörungen, Essstörungen und Depressionen als noch dramatischer zu bewerten.“

Die DAK-Gesundheit ist mit 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit. Insgesamt sind bei der Krankenkasse in Hessen rund eine 620.000 Menschen versichert.

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